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Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)

Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)

Titel: Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Meyer zu Kueingdorf , Michel Ruge
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Aller!«, versuchte mich Fritz zu beschwichtigen. »Aber was machen wir jetzt? Was machen wir jetzt?«
    Plötzlich war Fritz auf 180. Die Aktion hatte auch ihn aufgeputscht, obwohl er nur im Auto gesessen hatte. Ich sah das gleiche Feuer in seinen Augen, das schon länger in mir brannte. Nervös schlug er mit den Händen auf seine Schenkel.
    Allmählich kam ich wieder ganz zu mir und fühlte mich jetzt sogar stark und überlegen, obwohl ich ertappt worden war. Das musste Klaus der Klempner erst einmal beweisen, dass ich das unter der Tüte gewesen war.
    Auch wenn sie es noch nicht zugeben wollten, die beiden hatten gesehen, wozu ich fähig war. Das verlieh mir eine Macht, die sie nicht hatten.
    »Was jetzt, Aller? Was jetzt? Lass uns was machen.« Fritz rutschte nervös auf seinem Sitz hin und her.
    »Lass uns den Walkman-Laden da vorn ausrauben!«, rief Boris.
    »Ja, Aller!«, schrie Fritz. »Dann geh doch. Hau rein. Los!«
    Die beiden schrien sich an – das Adrenalin hatte sie im Griff. Ich hatte mich an meine Dosis schon gewöhnt und blieb ruhig. Wir sahen uns an und wussten, dass wir eine Entscheidung getroffen hatten.
    »Lasst uns ein paar Steine von der Baustelle da drüben holen«, schlug Boris vor. Also schnappte sich jeder ein paar große Ziegelsteine, dann gingen wir zu dem Laden. Inzwischen war es dunkel. Mir war alles egal. Ich spürte keine Aufregung, nur eine tiefe, angenehme Ruhe. Nichts würde mich aufhalten können. Es war wie früher bei meinem Scheiben-Einschlag-Geschäft: Ich nahm Anlauf und schleuderte den Stein in Richtung Laden. Fritz und Boris grölten. Der Stein flog – und prallte mit einem dumpfen Knall von der Scheibe ab. Bam! Zuerst machten wir große Augen, dann lachten wir wieder wie die Wahnsinnigen. Es war uns egal, ob wir gehört oder gesehen wurden. Wir waren im Rausch.
    »Aller!«, schrie Fritz. »’ne Panzerscheibe.«
    Dann war Boris an der Reihe. Er holte aus, warf den Stein, der Stein flog – und wieder prallte er ab. Wir konnten uns nicht mehr halten vor Lachen, hielten uns die Bäuche. Über uns öffnete jemand ein Fenster. Ein Typ im zweiten Stock steckte seinen Kopf durch ein kleines Fenster.
    »Mach die Klappe zu, Aller«, schrie Fritz, »sonst komm ich hoch.«
    Sofort war das Fenster zu. Fritz nahm Anlauf und warf seinen Stein in weitem Bogen gegen die verdammte Scheibe. Es krachte. Endlich, die Scheibe hatte einen Riss, einen kleinen Riss. Wir applaudierten uns selbst und versuchten es weiter – noch zehn Mal, aber die Scheibe hielt stand. Wie benommen von unserer Macht stiegen wir schließlich ins Auto.
    »Geil«, rief Fritz.
    »Was für ein Spaß«, grölte ich.
    »Und die Bullen haben nix gemerkt«, schrie Boris. Wir waren die Könige von Eppendorf! Aber auch für uns war es nun an der Zeit, nach Hause zu gehen. Wir fuhren zu Fritz’ Wohnung.
    Kaum hatte Fritz die Haustür aufgeschlossen, überfiel uns das Geschrei seiner Mutter. »Sag mal, spinnt ihr? Ihr seid ja wohl total irre. Glaubt ihr, die sind doof, oder was? Irgendwer hat euch gesehen bei eurer dämlichen Aktion und die Polizei verständigt. Die warten nun bei Boris.« Ich riss sofort wieder die Tür auf und flüchtete in die kühle Hamburger Nacht. Doch anstatt mir Sorgen zu machen: Ich fühlte mich gut, einfach gut. Es war meine Nacht.
    Fritz’ Eltern verboten ihm den Umgang mit mir. Aber das war schon okay, denn es interessierte uns natürlich nicht. Wir machten, was wir wollten. Wir waren schließlich die Größten! Das musste wohl auch die Polizei mitbekommen haben, denn wir hörten nichts, keine Anzeige, nichts. Auch vor Boris’ Haus stand an diesem Abend niemand und wartete auf ihn. Selbst Klaus der Klempner hat nie bei meiner Oma gepetzt oder mir gegenüber etwas gesagt.

16 Der Wahnsinn wird endlich wahnsinniger!
    I ch war jung und das Leben prall und geil. Doch dann verschwand Ümet. Er war einfach weg. Einige meinten, er habe Stress mit einem Luden gehabt und sei untergetaucht. Anderen glaubten zu wissen, dass er im Gefängnis sei. Seinen Bruder hatte man angeblich wieder in die Türkei geschickt, damit er keinen Unfug mehr machen konnte. Was auch immer die Wahrheit war: Ohne Ümet waren die Breakers nicht mehr als ein Haufen wilder Jungs. Es gab keinen, der in Ümets Fußstapfen hätte treten können. Zudem veränderte sich etwas. Wir veränderten uns. Wir wurden älter, und für unsere romantischen Gangträumereien war immer weniger Platz. Das Leben fuhr seine Krallen aus und ließ uns

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