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Boris Pasternak

Boris Pasternak

Titel: Boris Pasternak Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr Shiwago
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ein Empfang erwartet,
wozu fahren wir hin? Wir müssen die Deichsel umdrehen.«
    »Unsinn.
Erstens, gibt es denn nur die Mikulizyns auf der Welt? Zweitens, Mikulizyn ist
sträflich gutmütig, über alle Maßen gutmütig. Er wird aufbrausen, sich sträuben
und dann weich werden. Er gibt das letzte Hemd her, teilt die letzte
Brotrinde.« Und Samdewjatow erzählte.
    »Vor
fünfundzwanzig Jahren kam Mikulizyn als Student des Technologischen Instituts
von Petersburg zu uns. Er war verbannt und stand unter Polizeiaufsicht. Er kam
also her, kriegte den Verwalterposten bei den Krügers und heiratete. Wir hatten
hier vier Schwestern Tunzewa, eine mehr als bei Tschechow, hinter denen waren
alle Studenten von Jurjatin her. Sie hießen Agrippina, Jewdokija, Glafira und
Serafima, mit Vatersnamen Sewerinowna. Aus diesem Vatersnamen entstand der
Spitzname für die Mädchen - Sewerjanka* [* Nordländerin].
    Die
älteste Sewerjanka wurde Mikulizyns Frau.
    Das Ehepaar
bekam bald einen Sohn. Aus Vorliebe für die Freiheitsidee ließ der dumme Vater
den Jungen auf den Namen Liweri taufen. Liweri, einfach Liwka genannt, wuchs
als Wildling auf und zeigte vielseitige und ungewöhnliche Anlagen. Der Krieg
brach aus. Liweri fälschte seinen Geburtsschein und ging als fünfzehnjähriger
Grünschnabel freiwillig an die Front. Seine Mutter Agrippina, die schon immer
kränkelte, konnte den Schlag nicht verwinden. Sie wurde bettlägerig, stand
nicht wieder auf und starb im vorletzten Winter kurz vor der Revolution.
    Der Krieg
war aus. Liweri kam zurück. Was war aus ihm geworden? Ein Held, ein Fähnrich
mit drei Orden und natürlich durch und durch überzeugter Bolschewik,
Delegierter von der Front. Haben Sie von den >Waldbrüdern< gehört?«
    »Leider
nein.«
    »Dann hat
es nicht viel Sinn zu erzählen. Die Hälfte des Effekts geht verloren. Wozu
gucken Sie dann dauernd auf die Straße? Was ist an ihr bemerkenswert? Zur Zeit
die Partisanen. Was sind Partisanen? Die wichtigsten Kader des Bürgerkriegs. Am
Entstehen dieser Kraft sind zwei Faktoren beteiligt: Die politische
Organisation, die die Führung der Revolution übernommen hat, und die einfachen
Soldaten, die nach dem verlorenen Krieg der alten Macht den Gehorsam
verweigerten. Aus dem Zusammenwirken dieser beiden Faktoren entstand das
Partisanenheer. Es ist bunt zusammengewürfelt. Hauptsächlich besteht es aus
Mittelbauern. Aber daneben finden Sie dort alles, was Sie wollen. Da gibt es
arme Bauern, entweihte Mönche, Kulakensöhnchen, die ihre Herren Väter bekämpfen.
Da sind überzeugte Anarchisten, Zerlumpte ohne Paß, volljährige Frauenhelden
und Faulenzer, die aus den Mittelschulen hinausgeworfen wurden. Da sind
österreichische und deutsche Kriegsgefangene, angelockt durch das Versprechen,
man werde sie freilassen und in die Heimat zurückschicken. So, und eine
Abteilung dieser vieltausendköpfigen Volksarmee, die sich >Waldbrüder<
nennt, wird befehligt vom Genossen Lesnych, Liwka, Liweri Awerkijewitsch, dem
Sohn von Awerki Stepanowitsch Mikulizyn.«
    »Was Sie
nicht sagen.«
    »Es ist
so. Aber es geht noch weiter. Nach dem Tode seiner Frau hat Awerki Mikulizyn
wieder geheiratet. Seine neue Frau Jelena Proklowna war Gymnasiastin und ist
direkt von der Schulbank unter die Haube gekommen. Von Natur, aber auch aus
Berechnung naiv, blutjung, möchte aber schon jetzt jünger wirken. Sie plappert,
zwitschert, spielt die Unschuld, das Dummchen, die Lerche im Felde. Sobald sie
Sie sieht, wird sie Sie examinieren: In welchem Jahr ist Suworow geboren?
Zählen Sie auf, wieviel gleich große Dreiecke es gibt. Und wenn sie Sie
hereingelegt und an der Nase herumgeführt hat, frohlockt sie. Aber in ein paar
Stunden werden Sie sie selber sehen und feststellen, ob meine Beschreibung
zutrifft.
    Der Chef
hat andere Schwächen: Er raucht Pfeife und spickt seine Reden gern mit
altslawischen Brocken wie ein Seminarist. Er hätte zur See fahren sollen. Am
Institut hat er Schiffbau studiert. Sein Aussehen und seine Gewohnheiten
lassen das noch spüren. Er rasiert sich, nimmt tagelang die Pfeife nicht aus
dem Mund, quetscht die Worte durch die Zähne, und das liebenswürdig, ohne Hast.
Vorspringender Unterkiefer des Rauchers, kalte graue Augen. Eines hätte ich
fast vergessen: Er ist Sozialrevolutionär und wurde von der Region für die
Konstituierende Versammlung gewählt.«
    »Das ist
ja sehr wichtig. Also stehen Vater und Sohn auf dem Kriegsfuß? Sind politische
Gegner?«
    »Nominell
ja. In Wirklichkeit

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