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Boris Pasternak

Boris Pasternak

Titel: Boris Pasternak Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr Shiwago
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Blech geschmiedet
hatte, und an andere Märchen und Geschichten.
     
    Den Wagen
zog eine Schimmelstute, die kürzlich gefohlt hatte. Der Kutscher war ein alter
Mann mit abstehenden Ohren und langen schneeweißen Haaren. Alles an ihm war aus
verschiedenen Gründen weiß. Seine neuen Bastschuhe waren vom Tragen noch nicht
dunkel, Hose und Hemd hingegen waren von der Zeit gebleicht.
    Hinter der
Schimmelstute warfein Fohlen die staksigen Beine. Es war schwarz wie die Nacht,
hatte ein krauses Köpfchen und sah wie ein geschnitztes Spielzeug aus.
    Die
Reisenden saßen auf dem Rand des durch die Fahrspuren holpernden Bauernwagens
und hielten sich an den Rungen fest, um nicht hinunterzufallen. Sie waren friedlich
gestimmt, ihr Traum hatte sich erfüllt, sie näherten sich dem Reiseziel.
Großzügig und freigebig dehnten sich die späten Nachmittagsstunden des
wunderschönen, klaren Tages.
    Der Weg
führte bald durch Wald, bald durch offenes Gelände. Im Wald wurden die
Reisenden auf den Baumwurzeln durchgerüttelt, sie duckten sich, verzogen das
Gesicht, drückten sich aneinander. Auf den offenen Stellen, wo der Raum selbst
aus übervollem Herzen gleichsam vor ihnen die Mütze zog, richteten sie sich
auf, rückten auseinander, wackelten mit dem Kopf.
    Das
Gelände war hügelig. Die Erhebungen hatten wie immer ihr eigenes Aussehen, ihr
eigenes Gesicht. Wie mächtige, dünkelhafte Schatten ragten sie dunkel in der
Ferne auf und betrachteten schweigend die Reisenden. Angenehm rosiges Licht
folgte dem Wagen übers Feld, beruhigte die Reisenden, erfüllte sie mit
Hoffnung.
    Alles
gefiel ihnen, alles verwunderte sie, am meisten aber das unermüdliche Geschwätz
ihres kauzigen alten Fuhrmanns, in dem sich untergegangene altrussische Formen,
tatarische Ablagerungen und regionale Besonderheiten mit unverständlichen
Ausdrücken eigener Erfindung mischten.
    Wenn das
Fohlen nicht mehr mitkam, blieb die Stute stehen und wartete. Es folgte ihr mit
welligen Sprüngen, setzte ungeschickt die langen, dicht beieinander stehenden
Beine, kam seitlich an den Wagen heran, streckte das winzige Köpfchen am langen
Hals nach der Deichsel und saugte an der Mutter.
    »Eines
verstehe ich doch nicht«, schrie Tonja ihrem Mann zu, dabei schlugen ihre Zähne
vom Rütteln des Wagens aufeinander, und sie machte Pausen, um sich nicht bei
einem plötzlichen Stoß die Zungenspitze abzubeißen. »Vielleicht ist das
wirklich derselbe Wakch, von dem meine Mutter erzählt hat. Du erinnerst dich
doch, es war viel dummes Zeug dabei. Sie hatten dem Schmied bei einer
Schlägerei die Därme rausgerissen, da hat er sich neue gemacht. Kurzum, der
Schmied Wakch Eisenbauch. Ich weiß, das sind Märchen, aber vielleicht ging es
um diesen Mann? Ob er das ist?«
    »Natürlich
nicht. Erstens, du sagst ja selber, daß es ein Märchen ist, Legende. Zweitens,
auch die Legende war zu Lebzeiten deiner Mutter schon mehr als hundert Jahre
alt, wie sie sagte. Aber warum schreist du so? Wenn's der Alte hört, ist er
beleidigt.«
    »Ach wo,
er ist harthörig. Und wenn er's hört, kriegt er's nicht so genau mit, er ist
nicht ganz richtig im Oberstübchen.«
    »He,
Fjodor Nefedytsch!« rief plötzlich der Alte, er redete sein Pferd mit dem
Männernamen an, dabei wußte er besser als die Reisenden, daß es eine Stute war.
»Ist das eine verdammte Hitze! Wie im höllischen Feuerofen! Los, Satan, unverhoffter!
Willst du wohl, du Mazeppa!«
    Auf einmal
sang er langgedehnt Teile von Scherzliedchen, die früher in den hiesigen
Werken entstanden waren.
     
    »Lebewohl,
Fabrikkontor! Lebewohl, mein Erzbergwerk! Hab genug vom Herrenbrot und vom
Wasser aus dem Teich.
     
    Dort am
Ufer schwimmt ein Schwan,
    rudert mit
den Füßen vorwärts.
    Wenn ich
taumle, nicht vom Wodka.
    Wanja muß
zu den Soldaten.
    Mascha, da
paß ich schon auf,
    Mascha,
ich bin nicht so dumm,
    ich geh in
die Stadt Seljaba,
    such mir
eine Arbeitsstelle bei der Sentetjuricha.
     
    He, Stute,
meine Gute! Du hast Gott vergessen! Seht doch, Leute, dieses Aas, diese Bestie!
Du bringst sie auf Trab, und sie sagt dir, steig ab. Los, Fjodor Nefedytsch,
beweg dich! Dieser Wald hier, der heißt Taiga, er hat kein Ende. Eine Unmasse
Bauernvolk steckt da drin, oho! Die Waldbrüderschaft. He, Fjodor Nefedytsch, du
stehst ja schon wieder, du Satansbraten!«
    Plötzlich
drehte er sich um, sah Tonja starr an und sagte: »Was denkst du dir, junge
Frau, als ob ich nicht mitkrieg, weswegen du so aussiehst. Ich seh, Mutter, du
bist nicht

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