Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Boris Pasternak

Boris Pasternak

Titel: Boris Pasternak Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr Shiwago
Vom Netzwerk:
er gesagt, dann
ist er mit Petenka die Leiter runter.
    Ich denk
mir, Tante Marfa muß da schon wahnsinnig gewesen sein, sie hat nichts mehr
begriffen, hatte ihren Dachschaden weg. Kaum ist der Bösewicht mit Petenka
unterm Fußboden, da hat sie die Falltür zugeknallt und das Schloß vorgelegt und
die schwere Truhe auf die Luke geschoben und mir Zeichen gemacht, ich soll
helfen, für sie allein ist es zu schwer. Sie hat die Truhe drübergeschoben und
sich draufgesetzt und sich gefreut, die dumme Person. Kaum saß sie auf der
Truhe, da hat der Räuber von unten losgebrüllt und gegen den Fußboden
gehämmert, so als wie, laß mich lieber im Guten raus, sonst bring ich deinen
Petenka um. Was er sagte, war durch die dicken Bretter nicht zu hören, aber das
war auch nicht weiter wichtig. Wie ein wildes Tier aus dem Wald hat er
gebrüllt, um uns Angst zu machen. Jetzt ist es aus mit deinem Petenka, hat er
geschrien. Bloß sie hat nichts verstanden. Sie hat dagesessen, hat gelacht und
mir zugezwinkert, so als wie, red du nur, ich sitz auf der Truhe und hab die
Schlüssel in der Hand. Ich hab Tante Marfa auf alle mögliche Weise zugeredet.
Ich hab ihr ins Ohr geschrien, ich wollte sie von der Truhe runterschubsen. Wir
mußten den Keller aufmachen, um Petenka zu retten. Aber wie sollte ich das
schaffen? Wie sollte ich mit ihr fertig werden?
    Er hat
gegen den Fußboden geklopft und geklopft, die Zeit verging, sie rollt mit den
Augen und hört nichts.
    Nach
einiger Zeit - mein Gott, mein Gott, was hab ich nicht alles gesehen und
erlebt, aber so was Grausiges nie wieder, und wenn ich ewig leb, immer werd ich
Petenkas klägliches Stimmchen hören, wie er unterm Fußboden geschrien und
gestöhnt hat, Petenka, das Engelsseelchen, er hat es totgebissen, der
verfluchte Kerl.
    Was mach
ich jetzt, was mach ich jetzt, hab ich gedacht, mit der wahnsinnigen alten Frau
und mit dem Räuber und Mörder? Die Zeit ging hin. Wie ich noch so überleg, hör
ich vorm Fenster den Draufgänger wiehern, der hat ja noch angespannt
dagestanden. Ja. Draufgänger hat gewiehert, als ob er sagen wollte, los,
Tatjana, laß uns schnell zu guten Menschen fahren und Hilfe holen. Ich seh, es
wird schon Morgen. Wie du meinst, hab ich gedacht, danke, Draufgänger, du hast
mich auf die Idee gebracht, hast ja recht, laß uns losfahren. Und kaum hab ich
das gedacht, da hör ich, als ob mir jemand aus dem Wald zuruft: >Warte,
nicht so eilig, Tatjana, wir erledigen das auf andere Weise.< Und ich war im
Wald nicht mehr allein. Und auf einmal, als ob anheimelnd ein Hahn kräht,
pfeift unten die wohlbekannte Lokomotive, und ich hab sie am Pfiff erkannt,
nämlich sie hat in Nagornaja immer unter Dampf gestanden, und sie wurde
Schieber genannt, denn sie mußte Güterzüge von hinten bergan schieben helfen,
und jetzt kam ein gemischter Zug, der fuhr jede Nacht um diese Zeit vorbei,
also, ich hör, wie mich die bekannte Lokomotive von unten ruft. Da hat mir das
Herz ganz schön geklopft. Womöglich bin ich wie Tante Marfa nicht bei Verstand,
hab ich mir gedacht, wenn ein lebendiges Wesen, eine stumme Maschine in
deutlichem Russisch zu mir spricht.
    Naja, wozu
lange überlegen, keine Zeit, der Zug war schon nah. Ich hab mir die Laterne
geschnappt, es war ja noch nicht richtig hell, und wie eine Verrückte auf die
Gleise; mitten zwischen den Schienen hab ich gestanden und die Laterne hin und
her geschwenkt.
    Was soll
ich sagen, der Zug ist stehengeblieben, er war sowieso gegen den Wind ganz,
ganz langsam gefahren. Ich hab ihn also angehalten, und der Lokführer, den
kannte ich, der hat sich rausgebeugt und was gefragt, das hab ich nicht gehört
wegen dem Wind. Ich hab ihm zugerufen, Überfall auf den Eisenbahnposten, Mord
und Raub, der Räuber ist im Haus, hilf mir, Genosse Onkelchen, ich brauch
schnell Hilfe. Wie ich das sag, springen Rotarmisten aus den Waggons runter auf
den Bahndamm, einer nach dem andern, das war ein Militärzug, ja, die
Rotarmisten springen runter und fragen, was los ist, und staunen, was das wohl
soll, daß mitten im Wald auf der steilen Strecke der Zug angehalten wird.
    Ich hab
ihnen alles erzählt, da haben sie den Räuber aus dem Keller geholt, und er hat
gepiepst, noch dünner als Petenka, erbarmt euch, gute Leute, hat er gesagt,
laßt mich leben, ich tu's nie wieder. Sie haben ihn zwischen die Schienen
gelegt, Arme und Beine an die Schienen gebunden und den Zug über den lebendigen
Mann darübergefahren - Selbstjustiz.
    Ich bin
gar nicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher