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Boris Pasternak

Boris Pasternak

Titel: Boris Pasternak Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr Shiwago
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in Lara so komplizierte Empfindungen
ausgelöst hatte, Kokas Schwester war und ihre Mutmaßungen jeder Grundlage
entbehrten.
    »Kornakow«, hatte sich Koka
ihr ganz zu Anfang vorgestellt. Da hatte sie noch nicht durchgesehen.
»Kornakow«, wiederholte er bei der letzten gleitenden Umdrehung, brachte sie zu
einem Sessel und verbeugte sich.
    Diesmal war es bei Lara
angekommen. Kornakow, Kornakow, überlegte sie. Der Name kommt mir auf
unangenehme Weise bekannt vor. Dann fiel es ihr ein. Kornakow war Staatsanwalt
am Moskauer Obergericht. Er war es, der die Anklage gegen die Gruppe der
Eisenbahner geführt hatte, mit der Tiwersin verurteilt worden war. Kologriwow
war auf Laras Bitte zu ihm gefahren, um ihn zu bewegen, bei diesem Prozeß nicht
gar zu unmenschlich zu sein, doch vergeblich. Der ist es also! So, so, so.
Interessant. Kornakow, Kornakow.
     
    Es war in der ersten oder
zweiten Nachtstunde. Der Lärm stand Jura in den Ohren. Nach einer Pause, in der
man im Eßzimmer Tee mit Petits fours zu sich genommen hatte, ging das Tanzen,
weiter. Die Kerzen, die an der Tanne niedergebrannt waren, wurden nicht mehr
erneuert.
    Jura stand zerstreut im Saal
und blickte zu Tonja, die mit einem Unbekannten tanzte. Wenn sie an ihm
vorüberschwebte, warf sie mit einer Beinbewegung die kleine Schleppe des langen
Atlaskleides zurück, so daß sie einen Schlenker machte wie ein Fischlein, und
verschwand wieder in der Menge der Tanzenden.
    Sie war sehr erhitzt. Als sie
in der Pause im Eßzimmer saßen, hatte Tonja den Tee zurückgewiesen und ihren
Durst mit Mandarinen gestillt, die sie von der duftenden, leicht sich lösenden
Schale befreite. Aller Augenblicke nahm sie ihr Batisttüchlein, winzig wie
Obstbaumblüten, aus dem Gürtel oder aus dem kurzen Ärmel und wischte sich damit
die Mundwinkel und die klebrigen Finger. Lachend und ohne ihr lebhaftes
Gespräch zu unterbrechen, steckte sie es mechanisch wieder in den Gürtel oder
hinter die Miederrüsche.
    Jetzt tanzte sie mit dem
unbekannten Kavalier und streifte bei einer Umdrehung den abseits stehenden
finsteren Jura, dabei drückte sie ihm übermütig die Hand und lächelte
vielsagend. Bei einer dieser Berührungen blieb das Tüchlein, das sie hielt, in
seiner Hand. Er preßte es an die Lippen und schloß die Augen. Das Tüchlein
duftete nach Mandarinenschale und nach Tonjas heißer Hand, und beide Düfte
waren bezaubernd. Dies war etwas Neues in seinem Leben, er hatte es zuvor nie
empfunden, und es durchdrang ihn jetzt heftig von Kopf bis Fuß. Der kindlich
naive Geruch war vertraut und vernünftig wie ein in der Dunkelheit geflüstertes
Wort. Jura stand mit geschlossenen Augen, die Hand vor dem Mund, und atmete den
Duft ein. Plötzlich krachte im Hause ein Schuß.
    Alle wandten den Kopf zu dem
Vorhang, der den Salon vom Saal trennte. Das Schweigen dauerte eine Minute.
Dann begann ein Tumult. Alle kamen in Bewegung und schrien. Ein Teil stürzte
hinter Koka Kornakow her, dorthin, wo der Schuß gefallen war. Andere kamen
ihnen entgegen, drohend, weinend, im Streit einander ins Wort fallend.
    »Was hat sie angerichtet, was
hat sie angerichtet«, rief Komarowski immer wieder verzweifelt.
    »Boris, lebst du? Boris, du
lebst«, schrie Madame Kornakowa hysterisch. »Unter den Gästen soll doch Doktor
Drokow sein. Aber wo ist er, wo ist er? Ach, lassen Sie mich bitte! Für Sie ist
das ein Kratzer, für mich die Rechtfertigung meines ganzen Lebens. O mein armer
Märtyrer, der all diese Verbrecher entlarvt hat! Da ist sie! Du Miststück, ich
kratze dir die Augen aus, du Verbrecherin! Sie darf nicht entkommen! Was haben
Sie gesagt, Herr Komarowski? Auf Sie hat sie geschossen? Nein, ich kann nicht
mehr. Ich habe großes Leid, Herr Komarowski, besinnen Sie sich, mir ist jetzt
nicht nach Scherzen zumute. Koka, was sagst du dazu!
    Auf deinen Vater... Ja... Aber
die Hand Gottes... Koka! Koka!« Die Gäste strömten aus dem Salon in den Saal.
Mit ihnen ging Kornakow, scherzte laut und versicherte allen, er sei gänzlich
unversehrt, doch er drückte eine saubere Serviette auf den blutenden Kratzer
der leicht verletzten linken Hand. In einer anderen Gruppe, etwas abseits und
weiter hinten, wurde Lara an der Hand geführt.
    Jura erstarrte, als er sie
sah. Sie ist es! Und schon wieder unter ungewöhnlichen Umständen! Und da ist
auch der Grauhaarige. Den kannte Jura jetzt. Es war der angesehene Advokat
Komarowski, der mit seinem väterlichen Erbe befaßt war. Den brauchte er nicht
zu grüßen, und

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