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Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Titel: Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher McDougall
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für Maisbier gleichkam, rätselhaft, kompliziert und äußerst unterhaltsam obendrein. Ruhig scherzten sie miteinander, bis Barfuß-Ted dazwischenplatzte. Caballo hatte Ted – versehentlich oder vorbeugend – bei der Vorstellungsrunde ausgelassen, also stellte er sich selbst vor.
    » ¡Yo soy El Mono! «, verkündete er. »Der Affe!« Moment mal, dachte Barfuß-Ted. Gibt es in Mexiko überhaupt Affen? Vielleicht wussten die Tarahumara gar nicht, was ein mono war. Sicherheitshalber veranschaulichte er seinen Vortrag durch entsprechende Geräusche und kratzte sich nach Schimpansenart, die Glöckchen am Fußgelenk klingelten, und die Ärmel des roten Regenmantels flatterten ihm ins Gesicht. Aus irgendeinem Grund war er der Ansicht, die Nachahmung eines Tieres, von dem seine Zuschauer noch nie gehört hatten, könnte ihnen vermitteln, um welches Tier es sich handelte.
    Die Tarahumara starrten ihn an. Zufälligerweise trug keiner von ihnen Glöckchen am Fußgelenk.
    »Okay«, sagte Caballo, der dieser Vorführung unbedingt ein Ende machen wollte. »Vámonos?«
    Wir nahmen unsere Rucksäcke wieder auf. Unser bisheriger Aufstieg hatte fast fünf Stunden gedauert, und wir mussten den Wettlauf mit der Sonne wieder aufnehmen, wenn wir die Chance wahren wollten, den Fluss noch vor Sonnenuntergang zu durchqueren. Caballo setzte sich an die Spitze, während wir übrigen uns, einer hinter dem anderen, unter die Tarahumara einreihten. Ich versuchte, mich ans Ende der Kolonne zu setzen, damit ich die Gruppe möglichst nicht aufhielt, aber Silvino wollte davon nichts wissen. Er rührte sich nicht, bis ich mich zuerst bewegte.
    »Por qué?«, fragte ich. Warum?
    Aus Gewohnheit, antwortete Silvino. Er war einer der besten Ballspieler in den Canyons, behielt seine Mitspieler vom Ende der Gruppe her im Auge und ließ sie das Tempo machen, bis für ihn die Zeit gekommen war, auf den letzten Kilometern davonzueilen. Mich reizte der Gedanke, selbst Teil eines gemischten All Star Teams von Tarahumara und US-Amerikanern zu sein, bis ich Eric übersetzte, was Silvino gesagt hatte.
    »Vielleicht«, sagte Eric. »Vielleicht hat das Rennen auch schon begonnen.« Sein Nicken wies nach vorn. Arnulfo ging unmittelbar hinter Scott und beobachtete ihn aufmerksam.

30

    Dichtkunst, Musik, Wälder, Meere, Einsamkeit – sie entwickelten eine enorme geistige Kraft. Ich erkannte, dass dieser Geistgenauso stark oder sogar noch stärker als das körperliche Leistungsvermögen – vor einem Rennen aufgebaut werden musste.
    Herb Elliott, australischer 1500-Meter-Olympiasieger (1960) und Weltrekordhalter
über 1500 Meter und eine Meile, der barfuß trainierte, Gedichte schrieb und seine
Karriere ungeschlagen beendete.

    Mit einem »Oye, Oso«, rief mich ein Ladenbesitzer in sein Geschäft.
    Schon zwei Tage nach unserer Ankunft in Urique waren wir überall unter den Namen der Totemtiere bekannt, die uns Caballo gegeben hatte. »Überall« bedeutete hier natürlich: knapp 500 Meter weit in jeder Himmelsrichtung. Urique ist ein winziges Dorf in einer vergessenen Welt, das auf dem Grund des Canyons liegt wie ein Kiesel auf dem Grund einer Quelle. Bereits nach dem ersten Frühstück dort waren wir in das soziale Leben des Orts eingegliedert worden. Die Soldaten eines Armeezugs, der am Ortsrand sein Lager aufgeschlagen hatte, entboten Jenn bei ihren Patrouillengängen ein » ¡Hola, Brujita!« , Kinder grüßten Barfuß-Ted mit »Buenos días, Señor Mono.« Guten Morgen, Herr Affe.
    »Hey, Bär«, fuhr der Ladenbesitzer fort. »Wussten Sie schon, dass Arnulfo noch nie besiegt wurde? Wussten Sie schon, dass er das Hundert-Kilometer-Rennen dreimal nacheinander gewonnen hat?«
    Kein Kentucky Derby, keine Präsidentenwahl und auch kein Prominentenmordprozess ist jemals mit soviel Leidenschaft und persönlicher Anteilnahme verfolgt worden wie Caballos Rennen von den Einwohnern Uriques. Dem Bergbaudorf, dessen beste Zeiten mehr als ein Jahrhundert zurücklagen, waren noch zwei Anlässe zum Stolz geblieben: die brutale Härte der Landschaft und die Tarahumara-Nachbarn. Jetzt hatte zum ersten Mal überhaupt eine Gruppe exotischer Läufer aus dem Ausland den weiten Weg auf sich genommen, um sich in der Auseinandersetzung mit beiden zu bewähren, und diese Sache war schon längst viel mehr als nur ein Rennen: Für die Menschen von Urique war es die einzige Chance ihres Lebens, dem Rest der Welt zu zeigen, aus welchem Holz sie geschnitzt waren.
    Sogar Caballo selbst war

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