Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)
sich mit seinem Schiff durch die stürmische See kämpfte und bis zu zwei Stunden lang in einer stark aufgeheizten Sauna joggte.
Mike Sweeney lag in Führung, als er kurz vor 12 Uhr mittags durch Furnace Creek lief. Das Thermometer zeigte inzwischen 52 Grad Celsius, aber Sweeney ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und baute seinen Vorsprung weiter aus. Nach 116 Kilometern lag er beruhigende 16 Kilometer vor dem Zweitplatzierten, Ferg Hawke. Sweeneys Mannschaft leistete wunderbare Arbeit. Drei herausragende Ultralangstreckler standen ihm als Schrittmacher zur Verfügung, darunter Luis Escobar, ein weiterer Sieger beim H. U. R. T. 100. Als Ernährungsberaterin fungierte Sunny Blende (die nun wirklich den passenden Namen trug), eine bildhübsche Spezialistin für Ausdauersportarten, die nicht nur seine Kalorienzufuhr überwachte, sondern auch ihr Oberteil hochhob und die Brüste entblößte, wann immer sie den Eindruck hatte, dass Sweeney ein bisschen Aufmunterung gebrauchen konnte.
Beim Team Jerker lief es dagegen nicht ganz so rund. Einer der Schrittmacher fächelte Scott mit einem Sweatshirt Luft zu, bekam aber nicht mit, dass dieser zu erschöpft war, um sich darüber zu beklagen, dass ihn der Reißverschluss am Rücken traf. Mittlerweile waren Scotts Frau und sein bester Freund in einen heftigen Streit geraten. Dusty ärgerte sich darüber, wie Leah versuchte, Scott mit erfundenen Zwischenzeiten zu motivieren, während Leah von Dustys Angewohnheit, ihren Ehemann als elenden Weichling zu bezeichnen, nicht besonders angetan war.
Bei Kilometer 96 erbrach sich Scott und war wackelig auf den Beinen. Zuerst sanken die Hände bis zu den Knien hinunter, dann sanken die Knie auf den Boden. Er kollabierte neben der Strecke und lag dort in seinem Schweiß und Speichel. Leah und seine Freunde versuchten gar nicht erst, ihm aufzuhelfen; sie wussten, dass keine Stimme auf dieser Welt überzeugender wirken konnte als Scotts eigene, innere Stimme.
Scott lag am Boden und dachte daran, wie aussichtslos das war. Er hatte noch nicht einmal die halbe Strecke geschafft, und Sweeney war längst außer Sichtweite. Ferg Hawke hatte schon die halbe Steigung bis zum Father-Crowley-Aussichtspunkt geschafft, und er selbst hatte mit dem Anstieg noch nicht einmal begonnen. Und dann dieser Wind! Das fühlte sich an, als würde man in den Antriebsstrahl eines Düsentriebwerks hineinlaufen. Einige Kilometer zuvor hatte Scott sich abzukühlen versucht, indem er seinen Kopf und Oberkörper vollständig in ein riesiges Kühlbecken mit Eis tauchte und solange unter Wasser blieb, bis seine Lungen zu bersten drohten. Aber sobald er wieder auftauchte, kehrte auch das Gefühl zurück, geröstet zu werden.
Keine Chance, sagte Scott zu sich selbst. Du bist fertig. Du müsstest etwas vollkommen Irres tun, um hier noch zu gewinnen.
Wie irre?
Einfach neu anfangen. So tun, als wärst du gerade aufgewacht, hättest prima geschlafen, und das Rennen hätte noch gar nicht angefangen. Du müsstest die nächsten knapp 130 Kilometer in persönlicher Bestzeit laufen.
Keine Chance, Jerker.
Ja. Weiß ich.
Scott lag zehn Minuten lang wie ein Toter da. Dann stand er wieder auf und schaffte es, und zwar in der neuen, stark verbesserten Badwater-Rekordzeit von 24 Stunden und 36 Minuten.
König des Geländelaufs, König auf der Straße. Der Doppelsieg von 2005 war eine der größten Leistungen in der Geschichte des Ultralangstreckenlaufs, und es hätte keinen günstigeren Zeitpunkt dafür geben können: Genau jetzt, da sich Scott zum größten Star im Ultralangstreckenlauf entwickelte, wurde diese Disziplin sexy. D gab es Dean Karnazes, der sein Trikot für Zeitschriftentitelbilder auszog und dem Talkmaster David Letterman erzählte, wie er bei einem 400-Kilometer-Lauf auf halber Strecke per Handy Pizza bestellte. Und dann sehe man sich Pam Reed an; als Dean bekanntgab, er bereite sich auf einen 480-Kilometer-Lauf vor, zog Pam umgehend los, setzte noch eine Meile drauf, hatte ihren eigenen Auftritt bei Letterman, schloss einen Buchvertrag ab und wurde zum Thema einer der schönsten Zeitschriften-Überschriften, die je gedruckt wurden: DESPERATE HOUSEWIFE STALKS MALE SUPERMODEL IN SPORTS DEATH MARCH (etwa: »Desperate Housewife läuft männlichem Supermodel bei Sport-Todesmarsch den Rang ab«).
So weit, so gut. Und wo waren jetzt die Memoiren von Scott Jurek? Wo blieb die Marketingkampagne? Der Laufbandauftritt mit entblößtem Oberkörper am Times Square à la
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