Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer
er sich langsam über den dünnen Ringbart strich.
Dirk Deleu, der ihm direkt gegenüber am Tisch saß, achtete nicht auf den auffälligen Schmuck, sondern hatte nur Augen für etwas ganz anderes. Für ein Wunder der Natur. Deleu konnte die Augen nicht von der dunkelbraunen Schönen an der Seite Murat Maroufs abwenden. Er kannte ihren Namen. Und auch die samtene Zartheit ihrer Liebkosungen. Ihr Name war Danielle Orolavi, und sie hatte sich kein bisschen verändert. Die vollen Lippen fest aufeinandergepresst, mied sie ängstlich Deleus sehnsüchtige Blicke.
Murat Marouf, der instinktiv spürte, was vor sich ging, sah Deleu an. Obwohl seine Augen funkelten, behielt er den arroganten Zug um den Mund. Er schlug die Beine übereinander, strich sich amüsiert über den Fußknöchel und legte eine Hand auf Danielles Oberschenkel.
Die Berührung ließ die junge Frau aufmerken, und sie erschauerte. Unter den Wimpern hervor sah sie ihren Geliebten an und berührte flüchtig seine Brust.
Neben Danielle saß ein weiterer alter Bekannter Deleus: Jozef Sonck, Maroufs Anwalt, die Beine ebenfalls übereinandergeschlagen und einen Aktenkoffer auf dem Schoß.
Während er nervös über seinen Ziegenbart strich, huschten seine schmalen Augen von links nach rechts. Jozef Sonck war pures Gift.
»Ich habe diese Anhörung anberaumt, weil ich die bedauernswerten Vorfälle hundertprozentig aufklären will.
Ich danke Ihnen, dass Sie freiwillig zur Mitarbeit bereit sind.« Bosmans wartete nicht auf eine Antwort. »Die ballistische Untersuchung hat zweifelsfrei ergeben, dass die beiden anwesenden Ermittler Verstappen und Vindevogel ausschließlich zu ihrer Verteidigung gehandelt haben. Der junge Mann hat mit der Python in die Richtung von Inspecteur Vindevogel geschossen. Es wurden zwei Schüsse abgegeben. Eine Kugel steckte im Balken, die zweite haben wir nicht gefunden. Sie hat die Wellblechwand durchschlagen.«
»Wer hat zuerst geschossen?«, fragte Sonck listig.
»Inspecteur Verstappen hat unter Eid ausgesagt, dass Said el Hidrissi den ersten Schuss abgegeben hat. Die Kugel, die im Balken einschlug, und zwar nur wenige Zentimeter von der Stelle entfernt, an der sich Inspecteur Vindevogel befand, stammt von dem ersten Schuss. Die Rekonstruktion der Ereignisse hat unmissverständlich ergeben, dass der junge Mann nach dem Abfeuern des Schusses von einer Kugel aus der Waffe Inspecteur Vindevogels getroffen wurde. Deshalb schlug das zweite Projektil, das er im Fallen abfeuerte, auch viel höher ein.«
»Wofür bin ich dann überhaupt hier?«, fragte Murat Marouf leise. »Ist doch alles unter Dach und Fach.« Er machte Anstalten aufzustehen.
Jozef Sonck krempelte streitlustig einen Hemdsärmel hoch und legte Marouf den weißen Arm um die Schultern. Murat warf einen leicht missbilligenden Blick darauf, setzte sich aber wieder hin.
»Mein Klient ist davon überzeugt, dass Said el Hidrissi die Schüsse nicht abgefeuert hat«, sagte Sonck.
»Mit welcher Begründung?«
Marouf zeigte mit ausgestrecktem Arm auf den schielenden Pierre Vindevogel. »Den da! Den mach ich fertig!«
»Ich lasse mich von einem wie dem da weder beleidigen noch bedrohen«, wehrte sich Pierre. Aber es klang matt.
Er ballte die Fäuste und schwieg.
»Mijnheer Sonck«, sagte der Untersuchungsrichter.
»Noch eine solche Drohung, und diese Anhörung ist beendet.«
Das war Bosmans, wie er leibte und lebte, der sich einen Teufel um irgendwelche Autoritäten scherte. Sonck hob überrascht die Augenbrauen. Er öffnete den Mund, machte ihn aber nach einigen Sekunden wieder zu.
Frank Tack, der neben Bosmans saß, amüsierte sich insgeheim. Es war ein überaus spannendes Schauspiel. Tack war fasziniert von Murat Marouf und konnte den Blick nicht von ihm abwenden.
Was für eine Ausstrahlung!
Marouf hatte eine Hand auf den Oberschenkel der Mulattin gelegt.
Die ist ja auch wirklich eine Sünde wert, egal ob dunkelhäutig oder nicht.
Marouf hielt die Zigarette nicht zwischen Zeige- und Mittelfinger, wie die meisten Raucher, sondern zwischen Daumen und Zeigefinger, die Glut in Richtung Handfläche. Immer, wenn er an der Zigarette zog, kniff er die Augen zu Schlitzen zusammen, als genieße er den beißenden Reiz.
Der ist eine harte Nuss.
Tack rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her. Es war ungewohnt für ihn, nicht im Mittelpunkt zu stehen.
»Hier in diesem Gebäude und weit darüber hinaus habe ich das Sagen. Ich, nur ich allein. Ich möchte, dass jeder die Chance
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