Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer
Zeitungen. Mein Sohn war kein Drogendealer! Er war Polizist. Ein integrer Polizist!«
Ewoud Dewolf versank so tief in dem ledernen Bürosessel, als habe er seine letzte Kraft verbraucht.
Seine Worte hallten in Claude Verspailles Kopf wider. Er wartete, bis der alte Mann wieder ein wenig zu Atem gekommen schien. »Ich glaube, ich habe gute Neuigkeiten für dich.«
Dewolfs Augen leuchteten auf wie zwei glühende Kohlen in einem heruntergebrannten Grillfeuer, das ein letztes Mal von einer aufkommenden Brise angefacht wird.
»Meiner Meinung nach steckt keine internationale Muslimorganisation dahinter. Johan wurde von ein paar einfachen kleinen Drogendealern ermordet, die sich von ihm bedroht fühlten. Ich weiß, wer ihr Auftraggeber war. Ich weiß, wen wir uns greifen müssen. Sein Name lautet …« Mit einer weiträumigen Geste brachte Dewolf sein Gegenüber zum Schweigen. »Das will ich gar nicht wissen, ich will es in der Zeitung lesen. Genau wie alle anderen Belgier. Alle anderen rechtschaffenen Belgier.«
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23
W ährend Claude Verspaille mit nachdenklicher Miene zu seinem Jaguar zurückkehrte, betrat Naib Abram keuchend das Mechelner Präsidium. Er klammerte sich am Empfangsschalter fest, und seine kleinen dunklen Augen huschten wie Flipperkugeln hin und her.
»Mijnheer?«, fragte der diensthabende Beamte und setzte routiniert ein zuvorkommendes Lächeln auf.
»Sie müssen mir helfen! Mein Name ist Naib Abram, und ich werde verfolgt!«, keuchte der abgehetzte Mann. »Ich fordere Polizeischutz!«
»Sind Sie nicht Abgeordneter im Stadtrat?«, fragte der Beamte honigsüß.
»Ja, richtig.«
»Ach, vielleicht können Sie mir dann weiterhelfen. Ich leiste gerade«, der Beamte sah auf seine schicke Swatch Skin, »meine siebenundsiebzigste Überstunde ab.«
Abram wischte sich die feuchte Stirn trocken und warf einen ängstlichen Blick über die Schulter.
»Mijnheer Abram, Sie haben hier wirklich nichts zu befürchten. Sie befinden sich in einem Polizeipräsidium, dem sichersten Ort in der ganzen Stadt. Wirklich. Bitte beruhigen Sie sich, und nehmen Sie einen Augenblick hier auf der Bank Platz. Ich sage sofort jemandem Bescheid, damit er Ihre Aussage aufnehmen wird.«
Der magere Beamte kam hinter dem Schalter hervor, stellte sich mit ausgebreiteten Armen in die Tür und blickte demonstrativ von rechts nach links. »Sehen Sie.
Kein Mensch weit und breit, nur ein paar Arbeitslose auf der anderen Straßenseite. Schön braun. Von der Sonne allerdings.«
»Wie ist Ihr Name?«
»Vandevelde, Guido.«
»Mijnheer Vandevelde, wenn Sie glauben, dass sich die Polizei ausländerfeindliche Witze erlauben kann, dann irren Sie sich! Ich werde …«
Abrams Redefluss geriet ins Stocken, denn der Beamte war verschwunden. Das Einzige, was das Stadtratsmitglied noch aufschnappte, war das Wort »aufgeblasener«.
Er ballte die Fäuste, als ihm erneut der Schweiß den Hals herunterlief.
Schon seit einiger Zeit hatte es immer wieder Einschüchterungsversuche gegeben. Ein wie zufällig über das Hemd geschüttetes Bier in der Kneipe, zerstochene Reifen.
Nouka, die in der Schule einen Fausthieb abbekommt. Das waren alles die Handlanger von Marouf! Aber jetzt wird es wirklich ernst.
Der schwarze Golf hatte ihn zutiefst beunruhigt. Als er vorhin vor einer roten Ampel stand, war der Wagen an ihm vorbeigezogen und hatte neben ihm gehalten. In dem Fahrzeug saßen drei junge Marokkaner. Einer der Kerle hatte ihm den Stinkefinger gezeigt, ein anderer war sich mit dem Zeigefinger langsam über die Kehle gefahren.
Abram war froh gewesen, als die Ampel auf Grün sprang.
Er glaubte, den Fahrer des Wagens erkannt zu haben.
Der Kerl hatte schon zweimal gesessen und war zwanzig Jahre alt. Er galt als rechte Hand von Murat Marouf.
Die Gangster verfolgten ihn durch die ganze Mechelner Innenstadt. Nicht mal, als er entgegen der Fahrtrichtung in eine Einbahnstraße einbog, ließen sie von ihm ab. Bis kurz vor dem Polizeipräsidium klebte ihm der schwarze Golf an der Stoßstange.
Abram warf einen ängstlichen Blick zur Tür und erschauerte.
Hoffentlich ist keiner vom SEK im Dienst. Es ist Zeit.
Jetzt oder nie!
Er fuhr sich mit den Unterarmen über die Stirn, aber der Schweiß rann unaufhörlich weiter.
Diese elenden Nazis haben mich reingelegt. Ganz sicher. Die Dreckskerle haben mich erst benutzt, und jetzt lassen sie mich fallen. Ich durfte die Drecksarbeit erledigen, und jetzt werfen sie mich den Wölfen zum Fraß vor.
Naib Abram
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