Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn
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E s wehte ein eiskalter Nordwind, als Nadia Mendonck und Dirk Deleu schlotternd die Taverne »De kleine Keizer« betraten, um rasch einen Happen zu essen und einen Absacker zu trinken.
»Tut mir leid, Sie kommen zu spät, die Küche hat geschlossen, und das Fass ist leer«, scherzte die Wirtin. »Zwei Weißbier?«
Keiner der beiden ging darauf ein. Sie waren noch immer wie vor den Kopf geschlagen von dem, was Evelyne ihnen erklärt hatte.
»Nein, für mich einen Orangensaft«, sagte Nadia Mendonck schließlich. »Wenn es geht, bitte reinen Fruchtsaft.«
Deleu sah sie erstaunt an.
»Keinen weißen Sherry?«
»Ich bin müde, Dirk. Und ich muss noch fahren.«
»Zu wem denn?«, fragte Deleu beiläufig.
Nadia Mendonck seufzte, schluckte aber die Bemerkung »Männer!« hinunter. Diese Genugtuung gönnte sie ihm nicht.
»Möchtest du nichts essen?«
»Nein, ich habe zu Hause noch etwas Gemüse im Wok.«
»Hm, kein Alkohol, keine ungesunde Ernährung – so kenne ich dich ja gar nicht. Na schön, aber ich hole mir gleich noch eine Portion fettige Fritten.«
Deleu stieß mit einem schiefem Lächeln sein Glas gegen Nadias Glas mit reinem Orangensaft und nippte von seinem Bier. Schaum hing an seiner Oberlippe, als er sagte: »Ich weiß wirklich nicht mehr weiter, Nadia.«
»Wie bitte?«
»Na, wie es mit dem Fall weitergehen soll. Und mit allem anderen.«
Deleu wischte mit dem Daumen über sein beschlagenes Glas.
»Ich grüble immer noch über die Namen auf der ICQ -Website nach«, sagte Nadia Mendonck. »Leider konnten wir ja nur Apache identifizieren, die anderen sind ungreifbar wie Geister. Merkwürdig, findest du nicht?«
»Du glaubst doch nicht etwa an eine finstere Verschwörung?«
»Nein, das nicht«, erwiderte Nadia achselzuckend. »Es war nur die einzige Spur, die mir wirklich vielversprechend erschien.«
»Chatter haben einen geheimen Code«, seufzte Deleu. »Die quatschen und quatschen, aber sobald sie Unrat wittern, sind sie blitzschnell verschwunden.«
»Ja, wenn zum Beispiel ihre Frau ins Schlafzimmer kommt«, bemerkte Nadia grinsend.
Beide Ermittler starrten in Gedanken versunken die Tapete an. Deleu brach als Erster das Schweigen.
»Er hat keine Wohnung auf seinen Namen gemietet.«
»Vielleicht sollten wir nach unbezahlten Rechnungen fahnden«, sprach Nadia ihre Gedanken laut aus. »Gas, Strom, Wasser, Telefon und so weiter.«
Deleu blickte hinaus in die stockfinstere Nacht, und als er an das hilflose Baby dachte, lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter. Wieder blickten sich die beiden an, und Nadia fasste Dirks Befürchtungen schließlich in Worte.
»Wenn er keine Unterkunft auf seinen Namen gemietet hat, müssen wir höchstwahrscheinlich mit einem weiteren Opfer rechnen«, seufzte sie und trank ihren Orangensaft aus. »Du bist dran, oder?«
»Wir lassen anschreiben«, antwortete Deleu und wühlte in seinem Portemonnaie. »Ich habe gerade noch genug für eine Portion Fritten.«
Steif und unsicher stand er auf.
Sollte er ihr die Hand reichen oder sie küssen?
Schließlich drückte er Nadia einen dicken Kuss auf die Wange.
»Bis morgen. Und du fährst jetzt am besten nach Hause, und zwar auf direktem Wege.«
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Mittwoch, 26 . November – 21 Uhr 20
D raußen war es stockfinster, und Herman Verbist fühlte sich seltsam heiter. Fröhlich beinahe.
Ich lerne die Dunkelheit immer mehr zu schätzen. Fühle mich im Dunkeln sicherer. Wenn mir zufällig Batman über den Weg liefe, würde ich ihm die Kehle durchschneiden. Aber ach, er wird mir nie begegnen. Schließlich gibt es ihn nicht in Wirklichkeit. Er ist eine Fledermaus.
Die Frittenbude am Kornmarkt war beliebt, und die Leute standen Schlange.
Verbist reihte sich geduldig ein und betrachtete die auf grünem Plastik ausgestellten Snacks. Wie immer bestellte er eine mittlere Portion Fritten mit Mayonnaise und Schmorfleischsauce, eine Currywurst und einen Schaschlik, legte mit gesenktem Blick das abgezählte Geld in die BakelitSchale mit dem Aufdruck »Safir« und verließ ohne die geringste Geste der Höflichkeit die Imbissbude. Hungrig eilte er heimwärts.
Der fettige Frittendunst ließ Deleu das Wasser im Mund zusammenlaufen. Er sah auf die Uhr und beschleunigte seine Schritte.
Schon halb zehn.
Durch die beschlagenen Scheiben mit den rot-weiß karierten Gardinen schien noch Licht.
Glück gehabt, es ist noch offen.
Ein Mann, der sein Essenspaket sorgfältig, fast liebevoll wie ein Baby im Arm hielt, ging
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