Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn
Knie gegen die Brust, während die anderen beiden seine Arme und Beine festhielten.
»Wissen Sie, wo sich Ihre Tochter aufhält, Mevrouw?«, fragte Deleu diplomatisch.
Rudolf Janssens, der mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem Sofa saß und grimmig die Fäuste zwischen die Oberschenkel klemmte, sagte kein Wort.
»Unsere Sandra wohnt nicht mehr hier«, sagte die kleine alte Frau zittrig. Ihre eingefallenen Wangen wirkten umso hohler, als sie ihr Gebiss oben im Schlafzimmer im Wasserglas vergessen hatte. »Schon vor einem Jahr ist sie ausgezogen.«
Nadia Mendonck konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen. »Aber wir konnten Sandras Adresse nicht ermitteln. Sie ist immer noch bei Ihnen gemeldet.«
»Sie wohnt bei David, ihrem Freund. Beziehungsweise, sie hat bei ihm gewohnt.«
»Und jetzt?«
»Sie sind inzwischen getrennt. Ich glaube aber, dass Sandra immer noch in seinem Apartment wohnt. Aber sie erzählt mir ja nichts.«
»David?«, murmelte Deleu gedankenverloren.
»Wollen Sie damit sagen, dass Sie nicht wissen, wo Ihre Tochter wohnt?«, fragte Nadia erstaunt.
»Ich will einen Anwalt!«, meldete sich Rudolf Janssens zu Wort.
Deleu hob den Zeigefinger. »David!«
»Was heißt hier David?«, fragte Nadia irritiert. »Kennst du den etwa?«
»Aber Nadia, kannst du dich denn nicht mehr an die Chat-Datei erinnern? Sanjana hat Ricardo von David erzählt!«
Nadia nickte.
»Ich verlange einen …«
»Ach, sei still! Unsere Sandra steckt vielleicht in Schwierigkeiten, und du denkst wieder mal nur an dich!«, kam Mevrouw Janssens den Ermittlern zu Hilfe.
»Aber was nützt uns das? Wie heißt David mit Nachnamen, Mevrouw Janssens?«, fragte Nadia Mendonck, die die Szene gar nicht mitbekommen hatte.
»Sag denen nichts, Marga!«, brummte Mijnheer Janssens im Befehlston.
»Ich habe meine Tochter seit zwei Wochen nicht mehr gesehen«, flüsterte die Frau. »Sonst hat sie wenigstens ab und zu mal angerufen, aber sie meldet sich nicht. Und was soll das mit diesem Ricardo? Hat sie jemand anderen kennengelernt?«
Deleu breitete in einer Geste der Hilflosigkeit die Arme aus.
»Nein, das ist Fachjargon, Mevrouw«, log er. »Haben Sie ihre Telefonnummer?«
»Ja, die habe ich hier irgendwo. Eine Handynummer. Aber ich habe sie in letzter Zeit nicht mehr angerufen. Sonst war immer ein Anrufbeantworter dran, aber momentan kann ich sie gar nicht mehr erreichen. Ach, junge Frau, schaffen Sie sich bloß keine Kinder an. Nichts als Ärger hat man mit ihnen.«
»Können Sie uns den Familiennamen von Sandras Freund David sagen?«, fragte Nadia noch einmal.
»Nein, schon seinen Vornamen wollte sie mir nicht verraten, ich musste ihn ihr aus der Nase ziehen. Wenn Sie wüssten …«
Die Frau hob beschwörend die Hände. Plötzlich sah sie wieder ängstlich aus.
»Glauben Sie, dass ihr etwas zugestoßen ist?«
»Hat sie Drogen genommen?«, fragte ihr Mann, nervös mit den Füßen scharrend.
Die Ermittler verabschiedeten sich schließlich. Als Nadia Mendonck mit dem hustenden Dirk Deleu auf den Fersen zur Tür ging, rief ihnen Rudolf Janssens hinterher: »Vielleicht habe ich doch etwas für Sie!«
Beide Ermittler drehten sich gleichzeitig um.
»Ja?«
»Ich habe vor kurzem ein Einschreiben erhalten«, sagte Rudolf Janssens, das Kinn auf die Hände gestützt. »Von dem Vermieter von Sandras Freund. Der hat es auch geschafft, uns ausfindig zu machen. Wenn’s ums Geld geht, findet man uns immer.«
»Und?«, fragte Deleu.
»Die beiden seien zwei Monate mit der Miete im Rückstand, und Sandra habe damals den Mietvertrag mit unterzeichnet und so weiter und so fort … Dieser Jef Briels, der Vermieter, ist ein richtiger Hai. Ein Geldhai.«
»Haben Sie den Brief noch?«, fragte Nadia Mendonck hastig.
»Wissen Sie, wo Briels wohnt?«, fiel Deleu ein.
»Den Brief habe ich noch, aber nicht Briels’ Adresse.«
»Seine Adresse steht hinten auf dem Umschlag«, unterbrach ihn seine Frau, ging zum Schrank und öffnete eine Schublade. Als sie Nadia das Schreiben reichte, sah sie ihr in die Augen.
»Sie ist tot, oder?«
Die Eltern von Sandra Janssens sahen sich an. Die Ratlosigkeit in ihren Blicken verursachte Nadia Mendonck einen Kloß im Hals. Rudolf Janssens wandte als Erster den Blick ab.
Deleu las: »Jef Briels, Pareipoelstraat 15 , 2800 Mechelen«, und gab Nadia ein Zeichen, ihm zu folgen.
»Wir wissen es nicht. Wir halten Sie auf dem Laufenden.«
Als der Golf mit durchdrehenden Rädern anfuhr, summte Deleus
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