Bostjans Flug - Roman
beißt sich ihre Zähne aus vor lauter Beten. Eine von denen ist sie, die in der Jugend wild sind und im Alter heilig. Sie betet zuviel, daher schlägt sie das Schicksal, und ihr Schicksal schlägt nun ihn. Die Junge tollte, die Alte sammelt Gift und Kräuter, wiegt den mit Grünzeug gefüllten Korb auf dem Schoß, nur gut, daß sie ihm nicht gleich alles nacheinander unter die Nase hält, damit er einmal riecht, wie die Gesundheit schmeckt. Müde gebeugt hat sie sich auf den sonnigen Lichtungen und in den dunklen Bergkesseln Kräuter für Tees und Auflagen gepflückt, und nun hat sie den Scherben auf, jetzt sitzt sie nur noch tatenlos herum, wo sie doch hinausgehen müßte, um zu helfen. Die jugendlichen Narreteien sind verrauscht, die Wahrsagerei will nicht mehr glücken, jetzt bleibt ihr nur der Rastplatz auf der Bank, die müden Beine zu bedauern, das ausgeschundene Kreuz, und sie schaukelt und liebkost den Korb voll Segen, hadert mit ihrer Altersschwäche, denn die Kräuter hätten es so eilig, aus dem Boden zu kommen, daß sie mit ihnen nicht Schritt halten könne, weil die Beine nicht mehr mitmachen und der Reif alles verstümmelt, der Sommer ist kurz und der Winter so nahe. Jetzt weiß Boštjan, daß daraus nichts wird, nichts Halbes und nichts
Ganzes. Den Zauberkreis wird sie nicht mehr betreten, die Grenzen nicht mehr überschreiten, ihr Zaubern ist für die Katz und nützt nur soviel wie ein Katzenschnurren, leicht möglich, daß sie sich eine Prellung holt, falls der Mond sie überhaupt noch will. Erst jetzt bemerkt er, daß sie keinen Verband trägt, Abschürfungen und Schrammen sind verheilt, von der Mondsucht in den reifen Jahren ist sie auskuriert im Alter. Bei Vollmond bleibt jetzt Platz auf den Wänden oder Regenrinnen, auf den Dächern wird es nun nicht mehr so eng. Früher einmal verjüngte sie sich immer wieder, zerkleinerte und zerquetschte mit dem Stößel Kräuter und Gewürze, die so stark dufteten, daß sie Tote auferwecken konnten, heute kocht sie nur noch Kamillen auf.
Sanft neigt der Tag sich, doch die Kräuterin hat keine Offenbarung für Boštjan. Enttäuscht reißt er sich los und eilt weiter, huscht unauffällig an Dvevode und dem Dorfplatz mit der Linde vorüber, von wo getragenes Singen zu hören ist, und entwischt auf den Otavarsteig. Erst hier verlangsamt er den Schritt, verschnauft und kühlt sich ab. Auf diesem Einschichtweg wird er schwerlich jemandem begegnen, zumal an seinem Ende nur ein einziges Haus wartet. Der Steig stößt an eine Sperre, ein Zaun säumt abgedroschene Getreidestoppeln und hält den Wald im Zaum. Er verharrt kurz auf dem oberen Brett des Übergangs und starrt auf die beiden kleinen Gebäude. Auch dieser kleine Stall hat übergroße Fenster, im Gegensatz zum Häuschen, vom Eingang führt ein verwilderter Pfad quer zu den Felsen, wo Wasser in einen Trog träufelt. Im Schutz der Bäume kriecht er vom Steig hinunter und preßt sich an eine Astgabel. Da möchte er einige Jahre kauern und sich auf das Glück verlassen, daß sie eines Frühlings vorbeikommt. Er wird sich vor
sie hinstellen und ihr Gelegenheit geben, ihn zu finden und ihm zuzulächeln. Wenn zehn sich auf die Suche nach dem Glück machen, findet es der elfte, der ihm unbewußt entgegengeht, oder aber der, welcher lange genug im Busch darauf wartet.
Boštjan hat es sich in seinem Versteck noch nicht einmal bequem gemacht, sich im Schlupfwinkel noch nicht einmal für die nächsten Winter eingenistet, als Lina mit einem Eimer in der Hand daherkommt, Wasser aus dem Trog schöpft und das Gefäß unter das Gerinne hängt. Boštjan erstarrt, in seiner Brust pocht es, der zufällige gemeinsame Weg neulich hat ihn getroffen, zu stark schmerzt seither das Gefühl. Er ist ein anderer geworden, fremd und verwandelt, ein Opfer der Verzauberung, ein Gegenstand des Spotts. Also hat ihm die Kräuterfrau Črtelovka doch einen Streich gespielt, ihn doch eingewickelt und gefünftelt mit all ihrem Kraut, so daß er nun weder fürs Körbchen noch fürs Kröpfchen taugt. Lina läßt den Eimer bis zum Rand vollaufen und geht dann nahe an ihm vorbei zurück, dicht ober ihm, ihr Getrippel auf dem Steig stürzt im Gehörgang durch ihn hindurch. Wie verhext hockt er im Busch, unfähig, ein Wort herauszubringen, unfähig zu einer Bewegung, und Linas Schritte streifen bereits die Türschwelle. Er hört, wie es klingt, als sie den Kübel auf die Eimerbank stellt. Sie ist ihm unter die Haut gekrochen, und als ihr sein Blick
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