Bostjans Flug - Roman
wurde sie abgeführt und hat kein Brot mehr geknetet. Weder der blinde und taube Gott noch die Heerscharen der Heiligen, auch sie auf der Flucht vor den Gewalttätern, auch sie mit eingezogenen Köpfen vor den Schlächtern, auch sie ohne Rückgrat und krumm vom Verbeugen, den Mächtigen angepaßt, auch sie Stumme, Ängstliche, Nutznießer, die alle ihr Mäntelchen nach dem Wind hängen, sie rührten keine Hand und regten nicht einmal den kleinen Finger, machten keinen Mucks auf ihren Sockeln. Auch von Marjeta, der Flüchtlingin, die von
so weit hergekommen war, um in dieser Einöde Fuß zu fassen, und es wissen müßte, was es heißt, in die Fremde zu gehen, eine Fremde unter so einem Volk zu sein, auch von ihr war sie im Stich gelassen worden. Marjeta weiß nicht, wie es um die Mutter steht, und Boštjan würde wetten, daß sie auch vom Schaum der Großmutter keine Ahnung hat.
A m Samstagabend kratzte der Vater den Teer aus der Pfeife, rieb sich das Pech von den Händen und legte das Werkzeug an seinen Platz, tagsüber hatte er wie gewöhnlich noch gearbeitet. Lange ließ er sich im Schaff aufweichen, schrubbte und säuberte sich, begoß sich aus dem Sechter, denn der kommende Tag war nicht irgendeiner. Am Wasserverbrauch und am Eifer im Schaff war ersichtlich, daß ihm am nächsten Tag eine außergewöhnliche Handlung bevorstand: je größer das Ereignis, desto gründlicher die Waschung. In dem Bottich kam er richtig in Fahrt, und Boštjan mußte ihm mit dem Messer die Zehennägel schneiden und die Hornhaut von den Fersen schaben. Zuletzt lehnte er sich im Schaff zurück und nickte ein, von der Wärme des Wassers, dem Geprassel des Zinkkessels und dem Geruch der ächzenden Kienprügel überwältigt; fröstelnd und mit einer Gänsehaut wachte er im erkalteten Wasser auf. Der Vater verlor kein Wort über das kommende Ereignis, weil es keinen Sinn hatte, sich mit den Kindern zu besprechen, doch aus dem Verhalten und aus seinen Maßnahmen, aus den Vorbereitungen der letzten Tage und Wochen erriet Boštjan, was bevorstand. Die Heirat war auch für den Vater eine große Prüfung, weil sie am Kirchtag in der Sonntagsmesse verkündet wurde, wenn sich dazu noch Leute aus anderen Dörfern scharenweise auf der Suche nach Unterhaltung hier ansammeln, diesmal besonders viele, jetzt, wo der Krieg zu Ende ist und die Menschen sich wieder beweiben und begatten und es nötig wird, Wunden
zu heilen, zu vergessen und zu verdrängen. Der Cousin des Vaters und die Brautschwester gingen als Trauzeugen. Die Braut hatte er in einem entfernten Dorf gefunden, in einem Haus, das man ihm angeraten hatte und wo Töchter zur Auswahl standen. Nie war eine von ihnen jemandem nachgelaufen, sie warteten darauf, daß sein wird, was sein wird, zufrieden mit allem, was kam. Sie verhielten sich, wie es von anständigen Frauen erwartet wurde, Arbeit von früh bis spät klebte an ihnen, eine unerläßliche Voraussetzung für die Wahl des Vaters. Frömmigkeit und regelmäßigen Kirchenbesuch brachten die Frauen mit sowie die dabei gesammelten Lehren, die Männer Aufschneiderei und Hochmut, und alle zusammen ein Geizen, daß man nicht einmal den Katzen erlaubte, beim Nachbarn zu mausen. Sowohl was die Zuneigung betraf wie auch hinsichtlich des Vermögens und anderer irdischer Güter machte man Unterschiede zwischen den Familienangehörigen: die Günstlinge erhielten alles, die Verstoßenen wurden dafür um alles gebracht. Liebe galt nichts, Liebe kannte man nicht, für Liebe gab es kein Wort, auch jene zwischen Mann und Frau war nur eine Zuwaage und Sache des Zufalls, wenn das Glück es so wollte. Die Frau ertrug bis an ihr Lebensende die Launenhaftigkeit und den Starrsinn des Mannes, seine Grobheiten und Freiheiten, seine Rechthaberei, er nahm sie her, wenn ihm der Sinn danach stand, und sie beklagte sich nicht, auch wenn er auf ihr Holz spaltete. Sonntags sprach sie dann in der Kirche ein Gebet mehr und inniger, neigte den Kopf stärker zur Seite, preßte die Augen fester zusammen, einige Seufzer mehr entwanden sich ihrer Brust, und damit war es getan.
Der Vater und seine Auserwählte verbringen die Woche vor der Hochzeit jeweils im eigenen Haus. Der Pfarrer schätzt ein vor
eiliges, wildeheliches Techtelmechtel im Kukuruz, so einen vorehelichen Probefirlefanz, ganz und gar nicht, und daran würden auch die Betschwestern, die Säulensteherinnen des religiösen Gewedels, Hochwürden beipflichtend, zu sehr Anstoß nehmen, wo sie sich ohnehin bereits
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