Bostjans Flug - Roman
dem Flachland sind darunter, Viehhändler, Landstreicher und Nichtstuer. An ihren flink in die Runde schweifenden Blicken sind die großen Springböcke zu erkennen, die als erste auf den Plan treten, um nur ja keine Frau zu übersehen, und die alles, was sie an Geist aufzubieten haben, in der Hose tragen, Männer, die nach überstandener Kriegszeit jetzt die Waffen und ähnliche Bestätigungen ihrer Männlichkeit mit der Weibstollheit vertauscht haben. Alle sind sie gekommen, um die Bedürfnisse und die Gewohnheiten zu befriedigen und sich nicht allzusehr den Zorn Gottes zuzuziehen und um ihr sonntägliches Ritual zu verrichten, das sie befähigt, unter der Woche dann umso leichter
zu stehlen und zu täuschen, das Glas zu schwingen und Dummheiten zu verzapfen, nur zu nehmen und nichts zu geben, die Frauen herzunehmen und die Kinder dranzunehmen, bis sie sich in die Hosen machen.
Der Gottesdienst wurde aus der Kirche heraus unter den freien Himmel verlegt, ein seltenes Ereignis wegen des günstigen Wetters. An der Kirchenmauer war im Gras das Gestell für die Zeremonie aufgebaut. Unter dem Dröhnen der Glocken wurden der Obstgarten und die Heuwiese eingenommen und drückte man sich bis an den Gartenzaun. Es hallte und schallte im Kessel, daß sich die Hüte hoben, als die bejahrten Jungvermählten in der Kalesche auf dem Plateau vorfuhren. Dem Vater und seiner Zukünftigen wurde ein donnernder Empfang bereitet. Vom Waldrand böllerten die Schützen in weißen Schürzen und mit Blumengestecken auf den Gilets, daß die Pfropfen über die Köpfe in die Tiefe schossen. Die Trauung selbst sollte in die Meßzeremonie eingebaut werden. Als es bereits angefangen hatte, kamen auf den Steigen und Wegen noch immer Nachzügler hinzu, drängten sich in die Mitte und dehnten die Menge über die ganze Ebene aus. Tatsächlich ließen sich auch Besucher aus den Tälern anlocken. Nun konnten sich die Einheimischen in der Runde satt sehen und hatten welche, über die sie sich lustig machen durften; es gab genug Leute in der ganzen Herde, nach denen sie sich die Augen aus dem Kopf schauten. Böse Zungen aus fernen Tälern behaupteten später, daß nicht deshalb so viele Leute zusammengekommen waren, weil so viele zusammengekommen waren, sondern weil es auf dem Plateau so wenig Platz gab. Diejenigen, welche die weihrauchgeschwängerte, zerbimmelte Luft nicht vertrugen oder die der kirchliche Ringelreihen nicht sonderlich interessierte, blieben gleich beim
Verkaufsstand, machten sich wichtig und spielten sich vor den Frauen auf, erpicht auf die rundlichen Hintern, strahlend vor Glück und Stolz auf die Haspel, die sie zwischen den Beinen trugen; oder sie verließen gar nicht die Ausschank und waren nahe daran, sich an die Zither zu setzen, die Harmonika in die Singerei bei der Kirche hineindröhnen zu lassen oder eine Polka dazwischenzuwerfen in die Antworterei, die aus der Menge herüberklang. Zuhause tobten diese Wüstlinge vor ihren Frauen, wenn sich nur ein Knopf von der Hose löste, und hier schwänzeln sie um die Weiblichkeit herum und schmeicheln sich ein, ziehen die eine oder andere Begebenheit mit bedürftigen Nachbarinnen ins Lächerliche und schwatzen, daß die Dorflinde vor Scham ruppig werden und ihre Blätter hinter einer Flechte verstecken möchte. Vanč durfte ministrieren, er verschwand fast in seinem Umhang, und es war ihm anzusehen, wie leid es ihm tat, vor so vielen Leuten sein schönes Gewand unter der roten Ministrantenkluft verstecken zu müssen. Erst nach der Messe wird er in Feierlaune vor den Leuten prahlen und Boštjan die genieteten Stulpenschuhe und die neuen Hosenträger zeigen. Er konnte leicht herumstolzieren, wenn Hochwürden für die Kleidung aufkam.
Boštjan taucht in der vollgepferchten Ebene unter, von dem gottesdienstlichen Brimborium schnappt er nur ab und zu einen Fetzen auf, die Gesänge, Abgesänge und Widerklänge vernimmt er wie von fern, die Glocken hört er wie benommen. Bäuerinnen machen sich breit, herausgeputzte Pausbäckchen recken sich in Position, auf den Blusen angeheftete Broschen ziehen die Blicke an, Männer suchen barhäuptig Schatten und malträtieren ihre Hüte, Knaben in neuen Hosen, mit linkischen Bewegungen, Mädchen mit Bändern im Haar, unbeholfen im straf
fen Kleidchen, mit flinkem, übermütigem Blick und geschnürter Taille, einige ganz nah, doch Boštjan verlangt es nach einer einzigen Gestalt, eine einzige schwebt ihm vor, die erwartete, die er in der Menge bisher
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