Bostjans Flug - Roman
abschaffen wollen sie ihn beide nicht, aber auch im Dorf läßt ihn sich niemand nehmen, um keinen Preis. Mit dem Wauwau werden die Kinder in Furcht und mit dem Teufel die Weiber beim Trog gehalten; wenn der Teufel da ist, sind die Schäfchen stallwillig, und die Stallwilligkeit hält Hochwürden bei Laune, die Ruten in Schwung und das Schilfrohr in Schwang, mit dem Teufel werden die Kirchen voll und die Brieftaschen leer. Der Mesner wankt mit dem Horn, und das Flämmchen tanzt eine Polka, es sucht und wird nicht fündig. Auch die Chorgesänge verklingen nicht harmonisch im Kirchenschiff, sondern bleiben teils an der Brüstung hängen, teils verwehen sie im Spinngewebe an der Decke, träg sich lagernd um Säulenwerk und Rippengewölbe. Die Sänger, eingetaucht ins Angesicht der irischen Königin, scheinen zu vergessen, daß sie in einem Chor sind, und lassen sich einzeln und nach Belieben hören; die Sängerinnen, träumerisch versunken in das königliche Prachtgewand, in Marjetas Plaid und ihr Geschmeide, zaudern bald am Rande des Soprans, fallen bald in einen zu hohen Alt, dann wieder reißt ihnen die Melodie, weil sie sich in Marjetas glattem Busen vergessen haben, ihren mit dem eigenen vergleichend, ihren bedauernd, den eigenen bewundernd. Allen ist anzusehen, wie wenig sie bei der Sache sind: abwesend respondiert ein stummes Volk, so schwach, daß es
schon egal ist, ob es antwortet oder nicht. Auch der Pfarrer spürt beim Entriegeln des Meßbuches, daß ihm die Heilige auf die Finger schaut: er zuckt mit den Achseln und rückt sich ein wenig in der Casula zurecht, bringt symmetriehalber den Schritt in Stellung, speichelt sich die Lippen ein, wirft einen Blick auf die Finger, ob die Nägel sauber sind, schnüffelt nach dem Geruch der Pomade und hält ihn prüfend zwischen den Nasenhärchen fest, streicht mit der Hand die Haare über dem Ohr glatt. So viel Verwirrung verursacht Marjeta durch ihre Verhüllung, und Boštjan kann sich nicht vorstellen, was erst wäre, würde die schöne Heilige den Umhang raffen und, behüte, die Pracht kurz einmal bis zum Knie anheben.
Er fragte nach der Mutter und nach den Geschäften, derentwegen sie im Markt so lang aufgehalten werde, bat um ihre Rückkehr, aber auch Marjeta wußte nicht, wie es um sie stand. Wegen der Großmutter zerbricht sich Boštjan nicht den Kopf, für sie ist gesorgt, sie hat es gut getroffen, auch wenn sie nicht davongekommen ist. Als er in einer klaren Nacht einmal dicht über dem Haus ein Nebelknäuel erblickte, ähnlich einem Milchschaumzopf im Melkeimer, war er versucht, auf das Dach zu steigen, um es zu berühren. Augenblicklich wurde ihm klar, daß über ihm der Geist der Großmutter flatterte, aus kleinsten wäßrigen Bläschen bestehend. Ihr Geist, der zuerst eine Bleibe im schmiegsamen, sensenfesten Gras gefunden hatte, war ihm gefolgt und trieb am Himmel in einem Knäuel allerkleinster Nichtse! Jeden anderen hätte der Schauder gepackt, ihn ergriff die Freude. Seit damals schwebt das Nebelknäuel über dem neuen Haus, widersteht dem Wind und bleibt hinter den anderen Nebelschleiern zurück, hält sich an ungewöhnlichen Plätzen auf, doch immer in der Nähe des Hauses. Manchmal zerreißt
die Sonne das Nebelwesen, manchmal wird es von irgendwelchen Wirbeln durchgeschüttelt und zerfetzt, manchmal mischt ein Sturm die Luftschichten und verdünnt das Geschöpf bis zur Durchsichtigkeit, manchmal hängt es am Morgen an derselben Stelle, wo er es am Abend hängen sah. Die feine Haut des Großmuttergeistes, von der Kühle der Frühe in den Morgen hineingeatmet, glänzt und hebt ihn ab vom Abendstern. Es war ein Trost für ihn, daß er sich ihm gezeigt, sich bei ihm gemeldet, ihn aus Vereinsamung und Trauer herausgeholt hatte. Von der Mutter aber gibt es keine Nachricht, von ihr bleibt nur die Sorge, ob sie wohl nicht der Tod ereilt hat. Die Großmutter und die Mutter, beide hatte es von hier weggespült, doch der Nebelfleck stand nur für eine. Sag, Heilige, wo ist der Milchschaum der Mutter, wo ist das Knäuel ihres Nebels, wo sind die anderen? Sogar bei den noch einsameren Häusern, die sich auf die Entfernung und auf ihre Verborgenheit in den Bergen verlassen hatten, bei den noch höher gelegenen, war man in jenen Tagen auf Zehenspitzen gegangen und hatte nur geflüstert, in der Kriegszeit, als Ugavs Männer gekommen waren, um die Leute einzusammeln, aber auch ihnen hat es nicht geholfen. Vom Backtrog weg, in dem sie den Teig angerührt hatte,
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