Bote des Todes
wurden.“
„Ja, aber sie haben für eine Sache gekämpft, für etwas, das mehr mit ihrer Überzeugung zu tun hatte, weniger damit, wo sie geboren waren …“
„Glaub mir, den Mann, der für seine Plantage kämpfte, hat es sehr wohl interessiert, wo er geboren worden war – jeder Mensch glaubt an eine Sache. So ist das Leben. Jemand, der im kleinsten Dorf in Limerick wohnt, kann politisch aktiv sein, während ein Mann in Belfast Scheuklappen aufsetzt und jeden Tag zur Arbeit geht, ohne sich darum zu kümmern, wer an der Macht ist. Hauptsache, er kann sich einmal im Jahr einen Spanienurlaub leisten. Moira, weißt du, warum wir in die Staaten gekommen sind?“
„Dad wollte einen Pub in Amerika aufmachen. Zu Hause lief es wirtschaftlich nicht sehr gut, aber er hatte sein Leben lang über Amerika gelesen. Es war ein Traum und ein Neubeginn.“
„Das stimmt. Doch wir haben erst geheiratet und sind hergezogen, nachdem eine Cousine deines Vaters getötet worden war. Sie hätte wissen müssen, welches Risiko sie einging. Sie war in einer Gruppe aktiv, die Gewalt befürwortete. Sie hatte ihren Anteil Gewalt zum Konflikt beigetragen, und sie hatte dafür ihren Teil abbekommen. Das hatte dein Vater nicht ertragen können: eine Welt, in der die Kinder zum Hass erzogen werden. Sie war erst einundzwanzig, als sie getötet wurde, Moira. Ich wollte Vergeltung; zum Glück hatte dein Vater den Mut, Nein zu sagen und einfach wegzugehen. Er lebt jeden Tag mit diesem Mut und macht allen klar, dass Hautfarbe, Rasse oder Religion eines Menschen nichts zu sagen haben, sondern nur sein Charakter. Brolin hat das auch gelernt. Er war nicht immer ein Musterknabe, aber er hat es auf die harte Tour lernen müssen. Ich habe seine Karriere mitverfolgt. Er ist einer der wenigen Leute an der Spitze, die erkannt haben, dass Hass anerzogen und so von einer Generation an die nächste weitergegeben werden kann. Er weiß, dass man jahrzehnte- oder sogar jahrhundertelanges Blutvergießen, Unterdrückung auf beiden Seiten, kaltblütige Morde nicht einfach ungeschehen machen kann. Aber man kann sich die Mühe machen, eine neue Welt zu schaffen, in der Männer und Frauen miteinander reden, anstatt sich gegenseitig zu erschießen.“
Moira stand da und sah ihre Mutter fassungslos an.
Katy blieb an der Treppe zur U-Bahn stehen, dann ging sie weiter die Straße entlang.
„Mum?“ rief Moira ihr nach. „Wo willst du hin?“
„Spazieren gehen. Ich … ich möchte mir das Boot deines Bruders ansehen.“
Moira folgte ihr. „Mum?“
„Was?“ gab sie barsch zurück.
„Wenn du dir wirklich Patricks Boot ansehen willst, dann müssen wir die Straßenseite wechseln und dort entlang gehen“, sagte Moira.
Katy drehte sich um, lächelte und lachte dann laut auf. „Tut mir Leid“, murmelte sie.
Moira ging zu ihr und legte einen Arm um sie. „Ich habe jeden Morgen dein Frühstück genossen und es geschätzt, dass du uns geweckt hast, damit wir zur Schule gehen, und dass du mit Tee und Saft da warst, wenn wir erkältet waren. Ich habe die weichen Kissen und die warmen Decken geliebt, die du uns gegeben hast, und ich war stolz, dass du die beste Mum der Welt bist. Ich habe nie an deiner Intelligenz gezweifelt, aber ich habe nicht gewusst, wie weise und wunderbar zu bist. Entschuldige, wenn mir das nicht klar gewesen ist.“
Katy tätschelte die Wange ihrer Tochter. „Jeder muss irgendwann in seinem Leben die eine oder andere schwere Entscheidung treffen.“
„Erzähl mir mehr über Brolin“, bat Moira. „Wie seid ihr euch begegnet?“
Ihre Mutter zögerte einen Moment lang, bevor sie weitersprach. „Meine Cousine war tot. Sie hatte in Nordirland gelebt, und ich hatte ihn bei der Beerdigung getroffen. Ich erinnere mich nicht gern an diese Zeit. Lass uns losgehen, ich möchte das Boot sehen. Es ist jetzt März, und bald werden wir hinaussegeln können. Manchmal wünschte ich, wir wären nach Florida gegangen. Ich liebe das Wasser. Patrick hat in diesem Jahr schon so oft nach seinem Boot gesehen, dass ich glaube, er wird allmählich unruhig. Er liebt den Ozean. Und ich bin froh, dass es so ist, weil er dadurch immer wieder nach Boston kommt.“
Sie hatten den Pier erreicht, wo Patricks Segelschiff lag. Moira war außer Atem, da sie mit dem forschen Tempo ihrer Mutter kaum hatte mithalten können.
„Das Tor ist zu“, sagte Katy verärgert.
„Das bezweifle ich. Die Leute hier sind ziemlich locker.“ Moira drückte gegen das Tor, das sofort
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