Bote ins Jenseits
fürchte, ja.«
Kamp dachte nach.
»Das ist ganz schön vage, wenn du mich fragst. Wie willst du das anstellen?«
Gregor atmete tief durch.
»Ich habe noch keinen blassen Schimmer!«
»Oh!… Und jetzt?«, fragte Kamp unsicher.
»Jetzt? Jetzt löse ich erst mal ein Versprechen ein. Danach sehen wir weiter.«
Friedhof
Kamp musste zugeben, dass er den Wunsch nach dem Besuch seines eigenen Grabes, den er mit Gregor kurz vor dessen Alleingang ausgehandelt hatte, schon wieder vergessen hatte. Um so dankbarer war er dem Boten, dass er ihn von sich aus daran erinnerte.
Gregor verkündete, dass er jetzt einen ausreichend großen Abstand zu dem Höllentrip mit dem Auto von vor zwei Tagen gewonnen hatte und sich erneut ans Lenkrad wagen wollte. Da der Friedhof, auf dem Kamp beerdigt wurde, nicht allzu zentral lag, sollte es möglich sein, dorthin zu gelangen, ohne einen Spießrutenlauf zu absolvieren. Kamps Grab befand sich auf dem Westfriedhof in Köln-Ehrenfeld, auf dem auch seine Mutter beigesetzt worden war.
Die Dame im Verwaltungsgebäude am Eingang zu dieser letzten Ruhestätte, die sich größte Mühe gab, einen angemessen ernsthaften Eindruck zu machen, wohl um ihren Respekt vor den Toten und der Trauer der Hinterbliebenen zum Ausdruck zu bringen, gab ihnen bereitwillig Auskunft über die genaue Lage von Kamps Grab. Kamp fand, zwar, dass die Frau mit ihrer Gesetztheit über das Ziel hinausschoss, aber der Umgang mit dem Tod war für viele Menschen nun mal nicht besonders leicht.
Wenn die wüssten!
Sie brauchten gute zehn Minuten, um zu Kamps letzter Adresse zu gelangen. Es lag im nordwestlichen Teil des Friedhofs, in der Nähe der alten Kriegsgräber, und es ziemte sich nun mal nicht, an einem Ort wie diesem schnell zu gehen. Als sie am Ende der sehr exakten Wegbeschreibung angekommen waren, erblickten die beiden jemanden, der Gregor sofort in höchste Alarmbereitschaft versetzte. Er blieb stehen und nahm Kamp, zu dessen Überraschung, auf den Arm.
»Siehst du den da hinten?«, fragte er Kamp leise.
Außer ihnen war nur noch eine weitere Person anwesend. Er konnte nicht erkennen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte, da die Person die Kapuze ihrer Jacke aufgesetzt hatte. Eine hellgraue Jacke, die um einen recht massig wirkenden Körper gespannt war. Auch die dunkelbraune Cordhose deutete an, dass der oder die Betreffende gewichtstechnisch vorn dabei war. Der Gesamteindruck ließ Kamp jedoch vermuten, dass es sich um einen Mann handelte, allein schon wegen der überdurchschnittlichen Körpergröße.
»Ja klar. Was ist mit ihm?«, wollte Kamp wissen.
»Erkennst du ihn?«
Kamp schnaubte. »Das hast du mich schon mal gefragt. Wie soll ich jemanden erkennen, der…«
Er verstummte und sah noch mal hin. »Du meinst den von meinem Beerdigungsfoto? Der sich so auffällig von den anderen ferngehalten hat?«
Gregor nickte, ohne den Mann aus den Augen zu lassen.
»Die Jacke könnte tatsächlich passen!«, spekulierte Kamp. »Was willst du jetzt tun?«
Gregor setzte sich langsam wieder in Bewegung. »Wir pirschen uns an ihn ran. Mal sehen, wohin das führt.«
Gregor hatte schon seit Längerem eine ziemlich konkrete Vorstellung davon, wer der mysteriöse Fremde sein könnte. Genau genommen, seit seinem letzten Zusammentreffen mit Kommissar Fleischer.
Sie betraten die Reihe mit Kamps Grab. Es war das von ihnen aus gesehen vorletzte. Der Mann stand davor und starrte den rötlichen, hinkelsteinförmigen Grabstein an. Gregor konnte erkennen, dass er dieses Mal keine Sonnenbrille trug.
Je näher sie ihm kamen, desto deutlicher konnten sie hören, dass er nicht einfach nur dastand, sondern auch etwas sagte.
Gregor entschied, zwei Gräber vor dem Mann stehen zu bleiben. Er spürte, wie Kamp in seinen Armen zitterte, und beide lauschten angestrengt.
»… du glaubst mir das jetzt nicht, mein Junge, aber es tut mir wirklich leid, dass es so weit kommen musste. Das ist alles meine Schuld.«
Pause.
»Weißt du, du warst schon als Kind eine starke Persönlichkeit. Für manche zu stark – so wie ich.«
Pause.
Gregor fühlte, wie Kamps Zittern jetzt regelrecht elektrisch wurde. Er knurrte dem Boten etwas zu.
»Was?«, zischte Gregor leise.
»Ich kenne diese Stimme!«, knurrte Kamp erneut.
»Manche können mit dieser Art von Stärke einfach nicht umgehen. Wenn man dann nicht aufpasst, werden sie zu Feinden… oder sogar zu Todfeinden«, sagte der Fremde nachdenklich und ging in
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