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Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Titel: Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Víctor Conde
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natürlich immer noch da. Die Klagen der Mütter, deren Kinder gestorben waren, der Opfer von Gewalt und sozialer Ungerechtigkeit, des Krieges, des Hungers, der Einsamkeit, der Schwermut oder Schutzlosigkeit. Aber sie konnten ihm nichts mehr anhaben. Es gelang ihm, die Wucht der Leidenssinfonie zu kontrollieren. Und Mauro begriff, dass er jedem einzelnen dieser Leidenden einen Gefallen erweisen konnte, indem er ihre Bitten dorthin weiterleitete, wo sie etwas Gutem und Reinem dienten. Wo sich der Schmerz in Licht verwandeln und dieses Licht einen neuen Weg erhellen würde.
    Mauro war der Erste, der in die Wirklichkeit zurückkehrte. Als er Rhea übers Haar strich, um ihr sein Mitgefühl und seine Barmherzigkeit zu schenken, zuckte sie vor ihm zurück. Ja, es war, als fürchtete sie sich plötzlich vor ihm.
    Etwas in ihm hatte sich grundlegend verändert. In seinen Augen spiegelte sich nicht mehr das unsägliche Leid. Er war nicht mehr der Märtyrer einer modernen Gesellschaft. Er, der so viel geweint hatte, weil er nicht sehen konnte, hatte gelernt zuzuhören.
    Rhea weinte bitterlich. Sie wusste, dass sie soeben den einzigen Menschen verloren hatte, auf dessen Schulter sie nicht nur ihre Stirn hatte stützen können, sondern auch ihre Lebensangst, ihre Zukunft und ihre Vergangenheit. Ihre verlorene Würde. Sie wandte den Blick ab und mit ihm noch viel mehr: die Gefühle, die plötzlich verwaist waren.
    Auch die anderen wachten auf, einer nach dem anderen, als hätten sie sich abgesprochen. Aber noch bevor sie etwas sagen konnten … wandten alle vier, Séfora eingeschlossen, den Kopf in eine Richtung. Ein paar Sekunden verharrten sie reglos, während sie auf exakt dieselbe Stelle starrten, einen Punkt am Horizont, an dem die Augen jedes normalen Menschen nichts anderes wahrgenommen hätten als ein paar diffuse Wolken und schäumenden Seegang.
    Sie aber sahen ihn. Seine Präsenz war für sie allzu offensichtlich. Und sie wussten auch, dass er sich ihnen näherte.
    »Der Desmodu«, sagte Séfora. »Er hat uns gefunden.«

VORBEREITUNG AUF DEN KAMPF UND SÜSSER VERRAT
    W eder Tanya noch ihre Gefährten konnten in dieser Nacht gut schlafen. Als die Sonne endlich wie ein verkleidetes Gespenst durch die Ritzen der Jalousien hereinschlich und an der Wand ein Kasperletheater aufführte, kannten die jungen Leute bereits jede Furche der Tapete auswendig und konnten sogar verborgene Gestalten darin erkennen.
    Tanyas Blase traf noch vor ihr die Entscheidung, dass es Zeit war aufzustehen. Sie taumelte ins Badezimmer, und nachdem sie eine ganze Weile auf der Schüssel gesessen hatte, das Kinn in die Hände gestützt (sie hätte schwören können, dass sie noch einmal eingeschlafen war), ging sie in die Gemeinschaftsküche, die den Pensionsgästen zur Verfügung stand und aus Platzgründen in einer Nische im Flur untergebracht war.
    Sie war auf der Suche nach den Dingen, die sie für eine schöne Tasse Kaffee benötigte, und kramte zum wiederholten Mal in den unordentlichen Schubladen und Regalen, als sie den Krach hörte.
    Er versetzte ihr einen Adrenalinstoß. Vor ihrem schläfrigen Geist zogen Bilderzüge vorbei, die mit einer abscheulichen Fracht beladen waren: gehörnte dämonische Gestalten und Flammenstrahlen. Aber sie beruhigte sich sofort wieder.
    Es war sehr unwahrscheinlich, dass sich ein gestandener Desmodu das Knie an einer Kante anschlug und ein gereiztes »Autsch!« ausstieß.
    »Wer ist da?«, fragte Tanya.
    Die schemenhafte Gestalt wandte sich um und rieb sich das Knie. »Ich«, antwortete Rhea in dem für sie typischen mürrischen Ton.
    »Brauchst du Hilfe? Mann, du bist aber früh auf.«
    Rhea warf einen Blick über Tanyas Schulter, um sich zu vergewissern, dass die anderen noch schliefen. Sie trug ihre Straßenkleidung (eine andere hatte sie nicht) und die Nietenstiefel. In der Hand hielt sie einen großen schwarzen Müllsack, der bis oben hin mit Sachen vollgestopft war. Da sie ihn noch nicht zugebunden hatte, konnte Tanya einen Blick auf seinen Inhalt erhaschen. Darunter waren zahlreiche Gegenstände, die zur Pensionseinrichtung gehörten, wie zum Beispiel Besteck oder eine Decke, die ihnen die Wirtin überlassen hatte, für den Fall, dass es ihnen nachts zu kühl wurde.
    Ein leiser Verdacht machte sich in ihr breit.
    »Du gehst«, sagte sie. Es war keine Frage.
    Rhea wich ihrem Blick aus. »Bitte, sag Mauro nichts davon. Er … wird es mir nie verzeihen.«
    Tanya begriff, wie schwer dieser Schritt und seine

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