Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)
sehen, was es war, erkannten sie deutlich den winzigen Körper einer Ameise.
»Das ist mein Schwert-Zeichen«, sagte Séfora und ließ die Klinge wieder verschwinden, als hätte es sie nie gegeben. »Das ist der höchste Ausdruck der geheimen Macht eines Engels. Es kann Zauber brechen und tote Materie zerschneiden. Alle leblosen Dinge. Aber in keinem Fall wird es der organischen Materie Schaden zufügen.«
»Du kannst einen harten Stein zerschneiden, aber keine stinknormale Ameise?«, wunderte sich Tanya.
»Ja, so ist es. Die Waffen der Dämonen funktionieren umgekehrt: Sie zerstören Leben. Aber der toten Materie können sie nichts anhaben.«
»Interessant. Allerdings verstehe ich dann nicht, wie du das Schwert überhaupt schwingen kannst. Die Luft ist doch voller lebender Mikroorganismen, die das Schwert an jeglicher Bewegung hindern würden.«
»Das ist eine gute Frage. Die Organismen werden aber nicht getötet, wenn ich das Schwert schwinge. Sie werden nur durch den Druck der Bewegung beiseitegeschoben. Man könnte auch sagen: Die Klinge bahnt sich ihren Weg.«
»Unglaublich«, murmelte Tanya. »Werden wir alle diese Macht entwickeln? Ich meine, werden wir Schwerter hervorbringen können?«
»Nein. Nur wir, die wir vom Stamm Michaels sind, kanalisieren die Energie auf diese Weise«, erklärte Séfora und blickte zu Erik. »Mauro und du, ihr werdet euren eigenen mystischen Ausdruck finden, der am besten zu euch passt.«
»Ich würde da gerne etwas klären«, schaltete sich Mauro ein. »Wenn dieses Wunderschwert nicht töten kann, wie wird es uns dann vor dem Desmodu schützen?«
»Wie ich gesagt habe, es schneidet keine lebende Materie, doch aber die anorganische. Dazu zählt alles Verborgene, einschließlich Zauber, Flüche, verhängnisvolle Omen und übernatürliche Kreaturen.«
»Wie die Dämonen«, schloss Mauro.
»Genau. Ihr profanes Fleisch ist besonders empfindlich für Verletzungen, die ihnen durch ein Schwert-Zeichen zugefügt werden. So weit, so gut.« Séfora machte eine geheimnisvolle Geste. »Jetzt will ich, dass ihr euch konzentriert. Wir werden alle unsere Energie brauchen, um Ninive auf die andere Seite hinüberzuhelfen. Es wird sich so ähnlich anfühlen wie gestern, als ihr die Vision hattet. Eine Hitze wird sich in eurer Brust entfalten, und sie wird aufsteigen und euer Gehirn anschwellen lassen.«
Sorgt euch nicht, erklang die Stimme in ihren Köpfen, ich bin bereit. Aber ich werde meine Essenz an exakt diesen Ort koppeln müssen, sonst kann ich nicht mehr zurückkehren, um euch die Neuigkeiten zu überbringen.
»Was heißt das genau?«, wollte Tanya wissen.
»Dass wir Santorin nicht verlassen können, bis sie zurückkommt, egal was passiert.«
Erik dachte an das geheimnisvolle Mädchen, Cassandra, und befand, dass diese Aussicht für ihn kein Problem darstellte. Und jetzt, da sie Geld hatten, würden die Nächte in Imerovigli ganz anders aussehen, so viel stand fest.
Aber er erkannte auch das Problem: Bisher waren sie mehr oder weniger auf der Flucht gewesen. Zumindest hatten sie versucht, dem Desmodu möglichst aus dem Weg zu gehen. Würde der Dämon sie jetzt finden, könnten sie nicht einfach davonlaufen. Sie müssten hierbleiben und kämpfen, sonst wäre ihre einzige Chance, mit Séforas Meister in Verbindung zu treten und Zutritt zum Tempel zu erlangen, vertan.
Und noch hatten sie nicht genug Erfahrung gesammelt, um sicher sagen zu können, wie sie bei einem Kampf gegen einen höheren Dämon der Hölle abschneiden würden.
»Dann nutzen wir besser die Zeit«, sagte er laut und setzte der stillen Reflexion ein jähes Ende. Die anderen waren einverstanden.
»Eure Herzen erklingen hohl wie Harfen, denen man die Saiten herausgerissen hat«, sagte Séfora konzentriert. »Ihr Korpus ist nur imstande, Versprechen zu geben, Melodien, die einmal auf ihr gespielt wurden oder die in der Zukunft auf ihr gespielt werden. Ohne die Schwingungen des Lebens sind sie nichts weiter als trostlose Reliquien. Aber die Musik ist da, irgendwo da draußen. Ihr müsst euch nur wünschen, sie zu hören, dann werden die Saiten wieder erklingen.«
Wie der Engel angekündigt hatte, breitete sich die Hitze in ihrer Brust rasch über den Körper aus. Zuerst hatte sie die Temperatur eines Brandes, dann die eines kleinen Sterns. Die Empfindung kroch über die Wirbelsäule hinauf wie ein Feuerwurm, bis sie schließlich als kalte Nova in ihren Köpfen explodierte. Erinnerungen wurden wach an das, was
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