Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)
wollte nicht kämpfen, gegen niemanden. Sie rollte sich auf dem Sofa zusammen und starrte angsterfüllt in den Flur. Sie war ein kleines, unschuldiges, glückliches, hübsches Mädchen, das mit ihrem Leben zufrieden war. Jemand wie sie wurde nicht geschaffen, um gegen andere zu kämpfen.
Sie würde auf ihre Eltern warten, (Tanya, hilf mir!) , und zwar so lange es nötig war (bitte, tu etwas!) , bis sie das vertraute Klimpern der Schlüssel auf der anderen Seite der Tür hören würde (du, Tanya, bist unsere einzige Rettung!).
»Aufhören! Ruhe!«, schrie sie. Sie bohrte sich die Fingernägel in die Schläfen. Ihre Finger waren mit Vulkanstaub bedeckt.
Und sie wartete.
Und wartete.
Und war …
WIR SIND … BEI FREUNDEN.
WARTE NICHT …
JETZT … GEFANGEN …
Tanya riss die Augen weit auf. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Sie blickte durch den Schlauch des Flurs auf die halb geschmolzene Tür, die am anderen Ende mit der Verheißung ewigen Leidens drohte.
Ihre Eltern. Sie würden nie wieder nach Hause zurückkehren. Nie mehr. Sie konnte noch Stunden, Tage, Jahre, Jahrzehnte auf dem gemütlichen Sofa herumsitzen, ihr Tagebuch an der Brust wiegen wie einen kleinen Hund, den sie immer so gerne gehabt hätte, und sich im Disney Channel all die dämlichen Sitcoms für Teenager anschauen … aber sie würde umsonst warten.
Sie waren auf der anderen Seite der Tür.
Tanya stand auf, schleuderte das Tagebuch von sich (es landete aufgeschlagen auf dem Boden und zeigte weißes unbeschriebenes Papier, eine Seite, die noch nicht mit Erinnerungen getränkt war) und schritt durch den Flur. Kehr um! Ihre eigene Stimme schrie sie aus dem Tagebuch an. Akzeptiere die Realität, wie sie ist. Du bist ein friedlicher Mensch! Gib dich mit dem zufrieden, was du hast, hier fehlt es dir an nichts!
»Mir fehlen meine Eltern.« Das klang wie ein Urteil. Endgültig. Richter, Geschworene und sogar Henker hatten ihre Arbeit getan. Ein vielstimmiger Chor rief ihr nach. Er residierte im Heiligtum der Bequemlichkeit, von dem sie sich mit jedem Schritt weiter entfernte: »Warum leiden, warum kämpfen, wenn du hier alles auf dem Silbertablett serviert bekommst? Komm und bleib bei uns, du wirst für immer fünfzehn sein, für immer Jungfrau!«
Für immer unschuldig!
»Meine Eltern«, sagte sie bestimmt. »Wie groß der Schmerz auch sein mag. Koste es, was es wolle. Ich werde mich nicht mit weniger zufriedengeben.« Sie streckte die Hand nach der Türklinke aus, die tausend Kilometer entfernt schien. »Ich möchte nicht für immer jung bleiben.«
Die Tür öffnete sich …
Erik schob das Visier seines Helms nach oben.
Der Oberst war ihm in das Bunkerzimmer vorangegangen, hatte mit einem großen Schlüssel die schwere Eisentür aufgeschlossen und das Licht angemacht. Das Zimmer war leer und trostlos, mit einem großen Fenster auf der einen Seite, hinter dem sich der gleiche Raum noch einmal befand.
Erik betrachtete sich selbst. Er erinnerte sich nicht, wie er hierhergekommen war, noch wusste er, warum er eine Militäruniform der Spezialeinheit trug. Für das Gewicht an seiner Schulter, das ihm so zu schaffen machte, war ein Riemen verantwortlich, an dem eine Art Gewehr hing.
»Aber was …?!«, brüllte er.
Der Oberst gab ihm mit einer schroffen Geste zu verstehen, dass er seine Stimme dämpfen sollte.
»Beherrschen Sie sich, Leutnant!«, befahl er, als wollte er ihm ein Ultimatum stellen. »Sie wissen, dass diese Mission streng vertraulich ist. Ich werde Ihnen doch nicht alles noch einmal von vorne erklären müssen.«
Er drückte auf einen Knopf und im angrenzenden Zimmer öffnete sich eine Tür. Durch sie drangen Scharen der absonderlichsten Kreaturen herein, schleimige, außerirdisch anmutende, insektenähnliche und reptilienartige, solche mit Hörnern und Schwänzen und spitzen Zähnen und dem ganzen biologischen Zubehör, das die religiöse Kunst den Dämonen schon immer angedichtet hatte.
Der Oberst schnaubte, als er sie hereinkommen sah.
»Metaphysischer Abschaum«, stieß er hervor. Ein vierblättriges Kleeblatt funkelte wie ein Stern zwischen den Orden und Medaillen, die seine Uniform bedeckten. »Sie kommen einfach daher, ohne jede Ankündigung, und siedeln sich in den hintersten und dunkelsten Ecken unseres gesellschaftlichen Systems an, und das ohne Aufenthaltsgenehmigung. Gesindel! Es ist längst an der Zeit, dass mal jemand entschieden durchgreift und ihnen den Kopf wäscht.«
»Was sind das für
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