Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)
stimmte! Aus den Tiefen seines Herzens strömte unaufhaltsam der Hass herauf, der seinen Blick rot färbte, seinen Verstand blockierte, seine eigene Persönlichkeit auslöschte. Der Oberst hatte recht, er war ein Vernichter, also … warum vernichtete er sie nicht einfach? Warum zerbrach er sich den Kopf über einen Auftrag, der ihm nicht nur ganz leichtfallen, sondern ihm auch noch große Befriedigung verschaffen würde?
Dann wurde ihm alles klar. Sein Verstand feuerte aufs Geratewohl ein paar Gedanken ab, die wie die Hände eines applaudierenden Publikums gegeneinanderklatschten. Einem von ihnen gelang es, sich durchzusetzen und gegen ihn zu kämpfen wie gegen einen Süchtigen, der sich am liebsten nur dem Chaos hingegeben hätte.
Nicht die Dämonen waren im Besitz einer Waffe. Er war es.
Erik war der Einzige, der in der Lage war, Schaden anzurichten. Zu töten.
Das änderte alles.
»Drück ab, verdammt, oder ich werde persönlich dafür sorgen, dass dein Leben zur Hölle wird!«, brüllte der Oberst so außer sich vor Wut, dass er sich fast die Kieferknochen ausrenkte und wie eine Karikatur wirkte. »Töte sie! Bring sie um! Jetzt sofort! Los, los, los!«
Erik blickte ihn mit eiskalten Augen an. Er begriff das Dilemma, vor dem er stand, und war nicht bereit, in die Falle zu tappen.
Ja, er war ein Strafengel, aber er war kein Mörder. Es gab mehr als einen feinen Unterschied zwischen dem einen und dem anderen. Er würde niemals seinen Vorteil gegenüber einer Gruppe von Opfern ausnutzen, die ihm völlig ausgeliefert waren und nicht die kleinste Chance zur Gegenwehr hatten, geschweige denn um Gnade flehen konnten. Das entsprach nicht dem Verhalten eines Engels, sondern dem der Dämonen.
In diesem Augenblick erkannte er, wer sein eigentlicher Feind war.
Er wandte sich zu dem Oberst um, legte das Schwert an und zielte auf sein Gesicht.
»Tut mir leid, Chef, es ist nicht persönlich gemeint«, sagte er und drückte ab, zerschmetterte die Figur und die Szene wie …
… einen Spiegel. Und die Scherben regneten flirrend auf den Teppich herab.
Mauro zog blitzschnell den Fuß weg. Als Kind hatte er sich am meisten davor gefürchtet, dass ihm ein gläserner Gegenstand herunterfallen und sich die winzigen Splitter zu Tausenden im Haus verteilen könnten.
Seine Mutter hatte es ihm unzählige Male gesagt: Die kleinen Splitter kriegst du nie mehr ganz aus dem Teppich heraus, immer bleibt irgendwo einer stecken und wartet geduldig, bis du eines Tages nichts ahnend barfuß über den Teppich läufst.
Ein Hausmeister tauchte mit Schaufel und Besen auf, um die Scherben zu beseitigen. Er warf Mauro einen zornigen Blick zu, als wäre das Drunter und Drüber seine Schuld.
»Nein, ich war gar nicht hier, als …«, wollte er sich verteidigen, aber der Mann hörte ihm nicht zu. Dem Besen, mit dem er kehrte, fehlten die Borsten.
Mauro ging weiter durch den weiß gekachelten Flur, der so blitzblank war, dass er sich in den Wänden spiegelte. Er schritt auf eine Tür am Ende des Ganges zu, die schwarz leuchtete. Hier und dort tauchten wie aus dem Nichts grausame Bilder auf, Bilder von Kindern, die mit alten gelähmten Menschen spielten, als wären sie Marionetten, und Bilder von leeren Betten, aus denen noch die Schmerzensrufe der Sterbenden zu hören waren.
Er war in einem Krankenhaus.
Oh mein Gott. Bitte nicht.
Mauro verschluckte sich an seinem eigenen Husten. War er es, der krank war? Nein, er trug ganz alltägliche Straßenkleidung, die Jacke eines Besuchers, nicht das für Patienten typische Pflegenachthemd, das am Rücken zuging. Etwas bewegte ihn zum Weitergehen, sich diesen Türen zu nähern, als zöge ein Puppenspieler mittels Schnüren an seinen Gliedmaßen. Aber er war von einer schrecklichen Angst erfüllt. Er wollte nicht weitergehen. Er wollte auf der Stelle und so schnell wie möglich umkehren und von hier verschwinden.
»Wer ist da?«, fragte er. »Wer ruft nach mir?«
Eine Stimme drang durch die geschlossene Tür nach draußen.
» Komm .«
Er spürte, wie sein Wille zerfloss und an ihm heruntertropfte wie Schweiß, bis er nicht einmal mehr Angst empfand. Die emotionale Niederlage, die er in dieser Umgebung empfand, sowie die Albträume, die ihn an seine Kindheit erinnerten, lasteten auf seiner Seele, als wären sie aus Eisen. Eine entfernte Stimme hallte von den Wänden wider, flehte, dass es aufhörte, dass der Schmerz endlich nachließ. Jemand möge Erbarmen mit ihr haben und ihr diese eine
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