Botschaft des Schreckens
»Beenden wir dieses unangenehme Thema. Die Tore sind stark, die Mauern sind hoch. Und Joe, unser Gärtner, hält Wache; von nun an wird immer jemand Wache halten. Und jetzt, Abuela«, – er sah seine Großmutter liebevoll an
- »lächle doch wieder. Wir wollen uns angenehmeren Dingen zuwenden! Señorita Terrill soll uns etwas über Oklahoma erzählen.«
Er hatte wohl recht. Dona Isabella sah ratlos und ängstlich drein. In ihrem Alter, das wußte ich besser als die anderen, konnte diese Aufregung sehr schlecht für sie sein. Ich erzählte also von meinem Beruf; daß ich seit dem Tod meiner Mutter allein war, und daß ich nur zwei Wochen in Santa Fe bleiben würde, weil ich zurück ins Krankenhaus müßte.
»Kaum zu glauben«, meldete sich Carlos, »daß so ein hübsches Mädchen so allein sein kann. Nein, ich kann es nicht glauben. Sie müssen doch viele Bewunderer haben?«
Erstaunt sah ich in Don Carlos’ dunkle Augen und bemerkte einen Blick der Bewunderung in ihnen wie einst bei Jay Hallum. Wie froh ich war, daß er nichts von dem unbenutzten Hochzeitskleid in meinem Auto wußte! Als ich Dona Isabella ansah, war ich noch mehr erstaunt. Auch sie hatte seinen bewundernden Blick bemerkt, den sie ihm offensichtlich verübelte. Mochten ihre Gedanken auch manchmal abschweifen, sie wurde sofort hellwach, wenn einer ihrer Enkel eine »gringa« bewunderte. »Carlos«, sagte sie scharf, »ich habe Señorita Terrill von Dolores erzählt. Gleich nach dem Essen werde ich ihr Dolores’ Bild zeigen.«
Ehe Carlos antworten konnte, stapfte Pedro herein und bat in den Speisesaal. Er ließ sich seine Verärgerung deutlich anmerken: Dona Isabella hatte mich nicht nur empfangen – ich war sogar zum Essen geladen! Es lag wohl wirklich an seinem Alter. Carlos bot Dona Isabella den Arm, und ich folgte, flankiert von Antonio und Miguel. Während ich Don Carlos und seine Großmutter beobachtete, hatte ich das Gefühl, in die Vergangenheit zurückversetzt zu sein. Kaum eine Stunde war ich jetzt hier, und dennoch schien mich alles von einer Gegenwart wegzuziehen, die doch so gefährlich war, daß sie meine ganze Aufmerksamkeit verlangte.
Der Speisesaal war fast so geräumig wie die große sala. So niedrig wie die Hacienda von außen wirkte, so beeindruckend groß waren ihre Räume von innen. Ein großes, dünnes Hausmädchen stand an der Tür und beobachtete mich mit scharfen, schwarzen Augen. In ihrem Blick war keine Freundlichkeit. Wieder kam es mir vor – doch ich mochte mich täuschen –, als sei ich, die ich diese Menschen gewarnt hatte, eine Bedrohung für sie, und nicht die »Gilas«! Das mußte Stella sein, dachte ich. Sie ging auf die Dreißig zu und war zu alt, um Rosas Nichte Teresa zu sein.
Sie wartete bewegungslos, bis wir uns alle gesetzt hatten, und zog sich dann rasch zurück. Erst jetzt bemerkte ich den Tisch. Er war lang und mit feinem Leinen bedeckt. Aber das Silber! Nicht nur die Gabeln und Löffel waren aus schwerem Silber (irgendwie wirkten die Messer weniger alt und schwer), sondern auch die Teller und Schüsseln. Mein Erstaunen schien Dona Isabella zu freuen. Atemlos rief ich aus: »Kein Wunder, daß so etwas Diebe anlockt. Das ist einfach herrlich!«
Dona Isabella nickte. »Die besten Silberschmiede schufen vor Jahrhunderten dieses Geschirr, Señorita – bis auf die Messer. Messer gebrauchte man früher nicht bei Tisch; die Speisen wurden in der Küche geschnitten. Für ein einziges Stück dieses alten Silbers würden Kenner sehr viel bezahlen.«
»Die Kenner werden verstehen müssen«, warf Don Carlos ein, »daß unser Silber nicht verkauft werden wird. Und auch sonst nichts auf dieser Hacienda. Was seit Jahrhunderten hier ist, bleibt auch hier!« Wenn er sprach, sah Carlos noch hübscher aus. Seine dunklen Augen funkelten, und seine Stimme war schneidend wie eine Peitsche. Mit einem Lächeln zu Dona Isabella fügte er jetzt hinzu: »Mach dir keine Gedanken. Niemand wird jemals Hand an deine Schätze legen.«
»Ja, sie gehören mir und Dolores«, sagte die alte Dame leise. »Wie sehr sie das alles liebt!« Angesichts ihrer Entschlossenheit, eine Tote als lebendig und gegenwärtig zu betrachten, beschlich mich ein seltsames Gefühl. Ich warf Carlos einen verstohlenen Blick zu, aber er schien das für ganz selbstverständlich zu halten. Vielleicht hatte er es aufgegeben, die alte Dame noch ändern zu wollen. »Ihr beiden«, richtete sie jetzt mit streng erhobenem Zeigefinger das Wort an
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