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Botschaft des Schreckens

Botschaft des Schreckens

Titel: Botschaft des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanche Mosler
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Jetzt sollen Sie das Porträt meiner geliebten Schwiegertochter Dolores sehen.«
    »Aber nein!« sagte ich etwas zu heftig. »Nach all dem, was geschehen ist, möchte ich nicht…«
    »Das verstehen wir«, unterbrach mich Don Carlos geduldig, »aber es dauert nicht lang. Außerdem hatte ich in letzter Zeit so viel auf dem  rancho  zu tun, daß Dolores sich fragen muß, wo ich bleibe.«
    Ich starrte ihn sprachlos an. Hatten sie wirklich vergessen, welche Gefahr ihnen drohte? Was sollte dieses seltsame Gehabe in einer solchen Situation? Während Carlos und seine Großmutter mir vorausgingen, fragte ich mich, ob die Monteras… verrückt waren? Freilich, Father Vala hatte das offenbar nicht geglaubt. Aber wer so wie sie die letzte Warnung eines Ermordeten ignorierte… »Wenn ich jetzt nicht aus diesem Mummenschanz ausbreche…«, warnte ich mich selbst, »… wenn ich jetzt nicht zum Telefon laufe und Bob Ellison anrufe… dann werde ich genauso verrückt wie sie!«
    Ich schüttelte den Gedanken ab. Der gute Bob würde gegen ein Dutzend Killer nichts ausrichten können. Nein, ich durfte ihn da nicht hineinziehen. Die Polizei… Ich fragte mich, ob ich bereits Wahnvorstellungen hatte. Denn irgendwie hatte ich das Gefühl, daß, würde ich sagen »darf ich telefonieren?«, man es mir nicht erlauben würde. Daß ich kein Gast hier war, sondern eine  Gefangene!
    Aber ich täuschte mich wohl, denn Antonio sagte jetzt entschuldigend: »Ich weiß, Señorita, Sie glauben, daß wir Father Valas Warnung vergessen haben. Nein, das ist nicht der Fall. Aber was sollen wir tun? Wir können nur warten. Warum sollen wir also Abuela nicht diese kleine Freude machen? Außerdem hat sich die Hacienda schon seit Jahrhunderten als Festung bewährt, und solange Sie sich innerhalb ihrer starken Mauern befinden, kann Ihnen nichts geschehen.«
    Solange Sie sich hier befinden –  nein, länger als diese Nacht konnte ich nicht bleiben. Vorerst aber gaben mir Antonios Worte Halt. Er jedenfalls stand nicht im Banne der Vergangenheit, und Don Carlos wollte wohl nur seiner Großmutter einen Gefallen tun. Er konnte doch nicht im Ernst glauben, daß das Porträt seiner toten Frau wußte, ob er es »besuchte« oder nicht.
    Wir verließen die große  sala  und begaben uns in den gleichen, scheinbar endlosen, weißen Korridor, durch den ich zuvor Rosa Moreno zu meinem Schlafzimmer gefolgt war, vorbei an den geschlossenen Türen unzähliger Räume. Dieses Mal gingen wir erst an meiner, dann an noch ein paar weiteren Türen vorbei und kamen schließlich zu einer großen, reich geschnitzten Doppeltür, die offenbar zu einem separaten Teil des Hauses führte.
    Carlos sperrte auf, und wir betraten einen Raum, der früher einmal ebenfalls eine  sala  gewesen sein mußte, jetzt aber wie eine Kapelle wirkte. Große Lampen verströmten unwirklichen Schein. Sie und die langen Truhen an den Wänden ließen mich an ein Leichenhaus denken. Als ich dann aufschaute, erblickte ich das lebensgroße Porträt der schönsten Frau, die ich jemals gesehen hatte. Sie war in roten Taft gekleidet; ihr schwarzes Haar war nach spanischer Art in der Mitte gescheitelt und nach hinten frisiert. Ihr Lächeln wirkte, als wolle sie spöttisch sagen: »Du kommst also, um mich anzusehen? Dann sieh mich nur  gut  an. Wunderst du dich jetzt noch, warum ich diese Hacienda heimsuche? Es ist ganz einfach. Die Tage der großen Schönheiten sind vorbei. Dona Isabella ist jetzt alt, und sie ist die letzte von uns. Du dort, mit dem roten Haar und den blauen Augen! Möchtest du wissen, warum Carlos mir immer noch verfallen ist? Warum nicht? Du glaubst doch wohl nicht, daß dumme Frauen, die das Wort ›Mysterium‹ nicht einmal kennen, für mich Rivalinnen sein können? Sieh mich nur gut an: ich bin immer noch die wirkliche Herrin der Hacienda Montera. Zwar bin ich tot, und doch träumt mein Mann noch von mir, hungert nach meinen Küssen, sehnt sich nach meiner Umarmung…«
    Ich sah Don Carlos an. Er senkte den Blick, als blendete ihn ihre Schönheit, und wandte die Augen statt dessen zu den eisenbeschlagenen, nicht ganz zwei Meter langen und etwa einen Meter hohen Truhen.
    »Señorita«, flüsterte Dona Isabella, »das sind Dolores’ Truhen. Sie enthalten Leinen und Seide, Tafelservice aus spanischem Silber und kostbare Juwelen. Da drinnen«, sie deutete auf einen der Kästen, »sind ihr Hochzeitskleid und ihr Schleier…« Ihre Stimme erstarb.
    Carlos brach schließlich das Schweigen.

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