Bottini, Oliver - Louise Boni 01
Mittag vor sich gesehen hatte.
4
NIKSCH
HATTE
mit
mehreren
Japanisch-
Übersetzern telefoniert. Am Ende hatte er drei in die engere Wahl genommen. «Drei?», sagte Louise, als sie in den Wagen stiegen. «Wir brauchen doch bloß einen.»
Niksch druckste herum. Er hatte es nicht über sich gebracht, einen auszuwählen. Er hatte gesagt, er melde sich wieder. «Ich weiß nicht», sagte er und wedelte verlegen mit den Händen, «Sie können das besser. Ich hätt’ bestimmt die Falsche genommen.»
«Die Falsche?»
Alle drei waren Frauen.
Louise wählte einen Namen aus und rief an. Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang fröhlich, versiert und nach Freiberufler-Seminar. Louise fand, sie passte nicht zu dem Mönch, aber das spielte wohl keine Rolle. Sie sagte ein exorbitantes Honorar zu und kündigte sich und Niksch für fünfzehn Uhr dreißig an.
In einem türkischen Imbiss in Bahnhofsnähe aßen sie Döner und tranken Mocca. Nikschs Augen glänzten. Döner und türkischer Mocca, das war für ihn gleich bedeutend mit der großen weiten Welt. «Döner wär bei uns der Renner, aber es gibt keinen Türken in Liebau», sagte er, die Ellbogen auf den Stehtisch ge-stützt. «Es gibt bloß einen Italiener, aber der macht keinen Döner, der ist Friseur.»
Sie nickte mechanisch, während sie die Internet-ausdrucke überflog, die Niksch ihr gegeben hatte. Als er schwieg, las sie vor: «Buddhistische Union, Buddhistisches Zentrum, Dharma Sah, Kum Nye-Gruppe, Mamaki Zentrum, Rangrig Sang … ha, Rigpa, Rinzai-Zen-Vereinigung e.V. Klammer auf Kannon-Do …
Dodscho Klammer zu, Shambala-Zentrum, Titsch N
… hat Han … h-Sangha, Urasenke Foundation, Ka-gyü-Haus, Zen-Akademie, Zen Dodscho Ho Un Do …
Und alle sind in Freiburg.» Sie holte tief Luft. «Himmel. Und was ist Vajrayana, die Karma Kagyü-
Tradition und Ny … ingma? Oder Theravada? Und hier: Tantra, Tibetischer Buddhismus, Soto-Schule …
Ich dachte, es gibt nur einen Buddhismus und fertig.»
«Tja», sagte Niksch kauend.
«Schließlich gibt’s ja auch nur ein Christentum.»
Niksch machte mit dem Dönerrest eine Handbewegung, die ein geduldiges Ja sein konnte oder ein Versuch, Unwissenheit elegant zu tarnen.
Sie folgte dem Döner mit dem Blick zu Nikschs Mund. «Ich weiß nichts über Buddhismus», sagte sie.
Brot, Fleisch und Tomaten verschwanden hinter Nikschs hübschen Lippen. Genüsslich begannen die Kiefer zu mahlen. Sie leerte das Glas mit Raki und sagte: «Ich weiß auch nichts über das Christentum, jedenfalls nicht viel. Ich weiß bloß, dass ich nicht an Gott glaube und an Buddha schon gar nicht. Ich glaube also an etwas nicht, über das ich nichts weiß. Interessant, oder?»
Niksch kaute noch eine Weile, dann wischte er sich den Mund mit einer Papierserviette ab. «Hollerer sagt, es gibt einen äußeren Glaube und einen … Heißt es Glaube oder Glauben?»
«Keine Ahnung, Nikki.»
Niksch kicherte. Sie wandten sich zur Tür. «Also», fuhr er fort, «er sagt, es gibt einen äußeren Glaube und einen inneren. Der äußere ist zum Beispiel, dass man am Sonntag zur Kirche geht, mitsingt und betet, und bei der Predigt nickt man und sagt so laut, dass alle es hören können, dass die Bibel Recht hat. Der innere Glaube ist, dass man alles macht, was Gott sich so vorstellt. Hollerer sagt, beides ist okay.»
Auch Louise fand an dieser These nichts auszuset-zen. «Apropos Hollerer …‼, sagte sie.
Diesmal rief sie Lederle an.
«Ah, Louise», murmelte Lederle und gähnte. Im Hintergrund spielte klassische Musik. In ihrer Vorstellung saß Hollerer verkrampft auf dem Beifahrersitz, rang sich Kommentare zum SC Freiburg ab und bemühte sich, Lederles Daimler, dessen Inneres zweimal pro Woche einer Reinigung unterzogen wurde, nicht schmutzig zu machen. Sie lachte stumm in sich hinein.
Bei Lederle und Hollerer war alles in Ordnung.
«Und der Mönch?»
«Geht und geht.»
«Bleibt so dicht an ihm dran wie möglich.»
«Natürlich.»
Sie verließen den Imbiss. Die Bürgersteige waren geräumt, von den Dächern tropfte geschmolzener Schnee. Für die nächsten Tage waren mildere Temperaturen
und
Sonnenschein
angekündigt.
Das
Schlimmste, dachte sie, war vorüber, zumindest me-teorologisch.
Das Kagyü-Haus lag am Nächsten, dort wollten sie beginnen.
Während der kurzen Fahrt erzählte sie Niksch, dass der Mönch am Donnerstagmorgen in Badenweiler gesehen worden war. Der Postbote von Badenweiler hatte die PD Freiburg angerufen. Die PD
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