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Bottini, Oliver - Louise Boni 01

Titel: Bottini, Oliver - Louise Boni 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mord im Zeichen des Zen
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mit Günterstal verband.
    Als vor ihnen die ersten Häuser im grauen Sonnenlicht auftauchten, fiel es ihr ein. Lederle hatte erzählt, dass Hans Filbinger in Günterstal lebte.
    Richard Landens kleines Haus war von einem Holzzaun umgeben und lag unter den kahlen Ästen einer Weide. Sie hatte den Eindruck, als wollte die Weide mit spitzen Fingern nach dem Dach greifen, um das Haus hochzuheben und von sich zu schleu-dern. Im Garten seitlich des Gebäudes war zwischen weiteren Bäumen ein Schuppen zu sehen. Davor befand sich eine Art Brunnen. Auf dem Gras lag eine dünne Schneedecke. Nur die Trittsteine, die zum Schuppen führten, und der Kiesweg zum Gartentor waren freigekehrt.
    «Jemand zu Hause», sagte Niksch.
    Sie nickte. In zwei Räumen brannte Licht, links im Erdgeschoss und rechts im ersten Stock.
    Sie traten ans Gartentürchen. Auf dem Briefkasten stand TOMMO / LANDEN. Louise drückte den Klin-gelknopf. Sie hörten keinen Ton.
    Niksch wurde plötzlich nervös. Seine rechte Hand zappelte am Oberschenkel vor und zurück, der Arm war leicht angewinkelt. «Komische Namen», flüsterte er.
    «Ruhig, Nikki.»
    Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass sich hinter dem Fenster links unten ein Vorhang bewegte.
    Rechts oben tat sich nichts. Sie fragte sich, was der Weide an diesem Haus oder seinen Bewohnern nicht gefiel.
    Die Haustür öffnete sich, ein großer schmaler Mann um die vierzig erschien. «Kommen Sie rein», sagte er, «der Tee ist eben fertig geworden.»
    Niksch war anzusehen, dass sein Misstrauen wieder erwachte, als der große schmale Mann – Richard Landen – eine vermutlich japanische Tasse mit damp-fender Flüssigkeit vor ihn stellte: Der Tee war grün. Er räusperte sich wachsam.
    Landen hatte sie in eine kleine, maisgelb gestriche-ne Küche geführt. Tisch, Stühle und Einbauschränke waren aus hellem Holz. Ehrfürchtig bemerkte Louise, dass die Küche perfekt aufgeräumt und gesäubert war. Kein benutztes Geschirr in der Spüle, keine Brotkrümel, keine Flecken. Die Handtücher, die an Wandhaken neben dem Fenster hingen, waren frisch gebügelt. Auf dem Fenstersims saß eine glänzende schwarze Porzellankatze und musterte sie mit un-nachgiebigem Blick.
    Nur auf dem Esstisch herrschte eine Art Unordnung. Dort stand ein eingeschalteter Laptop, daneben lagen Bücher, Fotokopien, Stifte.
    Plötzlich spürte sie, dass sie die Küche und das Haus rasch wieder verlassen wollte. Die Ordnung, die Katze und Richard Landen machten sie unruhig.
    Weshalb, wusste sie nicht. Sie überlegte, ob sie Landen nach einem Schuss Rum für den Tee fragen sollte.
    Alte Gewohnheit, könnte sie sagen, englische Vorfah-ren. «Wir haben nicht viel Zeit», sagte sie stattdessen.
    «Selly meinte, Sie suchen jemanden, der sich mit Buddhismus auskennt.» In Richard Landens Stimme lag freundliche, müde Gelassenheit. Sein Blick kam ihr distanziert vor, aber offen. Die rechte Augenbraue war von einer quadratzentimetergroßen Stelle grauer Härchen durchbrochen.
    «Selly?», fragte Niksch.
    «Die Punkerin.» Vorsichtig schob Louise die rechte Hand auf ihre zierliche Tasse zu. Die Hand zitterte leicht und kam ihr neben der Tasse wie eine klobige Pranke vor. Sie dachte daran, was diese Hand schon alles gehalten und getan hatte. Sie hatte geklaut, befriedigt, geschlagen, vor zwei Jahren getötet. Keine gute Hand für ein so hübsches Tässchen.
    «Tibetischer Buddhismus?», fragte Landen.
    «Vermutlich japanischer.»
    Er nickte. «Erzählen Sie.»
    Sie zog die Hand zurück und berichtete von dem Mönch und seiner Wanderung von Badenweiler nach Liebau und darüber hinaus, beschrieb den Stock, die Schale, die Kutte. Von den Wunden und den Gestalten im Wald sagte sie nichts, auch nicht von der Nacht im Hohlraum hinter dem Felsen.
    Richard Landen wandte den Blick nicht von ihr, während sie sprach. Sein Gesicht war leicht gebräunt, als wäre er kürzlich beim Skifahren gewesen – oder bei der Gletschermeditation. Sie dachte wieder an den Rum.
    Wenn nicht Rum, dann vielleicht Sake. Gaben die Japaner Sake in den Tee? Immer wieder glitt ihr Blick zu der grauen Stelle inmitten der rechten Augenbraue. Sie fand sie störend. Ein Hort der Unruhe in einem schmalen, friedlichen, aufmerksamen Gesicht mit leicht geröteten Augen.
    Nachdem sie geendet hatte, herrschte für einen Moment Schweigen. Dann fragte Landen: «Was möchten Sie wissen?»
    Sie sah die Katze an und konzentrierte sich. «Ganz allgemein, wie man mit so jemand umgeht. Woran er glaubt,

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