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Bottini, Oliver - Louise Boni 01

Titel: Bottini, Oliver - Louise Boni 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mord im Zeichen des Zen
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sie.
    Der Aufprall war weniger heftig, als sie erwartet hatte. Die Tür des Sharan war überraschend stabil. Sie sah den Fahrer einen Meter vor sich aufschreien, glaubte seine Stimme zu hören.
    Aus dem einen Meter wurde ein halber.
    Die Fronthaube des Mégane sprang hoch und versperrte ihr die Sicht. Dampf schoss in einer Fontäne nach oben. Die Musik spielte weiter.
    Sie löste den Sicherheitsgurt und sprang aus dem Wagen. Der Aufprall hatte den Sharan leicht verschoben. Er stand jetzt mit den Vorderrädern auf der Weide, mit dem Heck schräg auf der Straße. Während sie um den Kofferraum des Mégane herumlief, feuerte sie blindlings Richtung Acker. In der Dunkelheit blitzte dort Mündungsfeuer auf.
    Aus dem Sharan drangen Schreie. Eine Männerstimme, mehrere Frauenstimmen. Sie riss die Hinter-tür auf. Die Innenbeleuchtung sprang an, und sie sah in das entsetzte Gesicht einer Asiatin. «No!», schrie die Frau. « No! Please!No !» Louises Blick fiel auf ihren aufgeblähten Leib. Die Asiatin war hochschwanger.
    «Police», sagte Louise.
    Die Asiatin verstummte.
    Neben ihr saß Annegret Schelling. Sie hielt sich den Hinterkopf und stöhnte. Ihre blonden Haare waren voller Blut. Auch der Fahrer gab leise Klagelaute von sich. Er war über dem Schaltknüppel zusammenge-sunken. Blut war nicht zu sehen.
    Nur die Frau auf dem Beifahrersitz schwieg. Sie hatte sich halb umgewandt und starrte Louise abweisend an. Eine zierliche Thailänderin, höchstens zwanzig Jahre alt, wunderschön. Ebenmäßige, schmale Wangen, ozeantiefe Augen, ein Urlaubs- und Lebens-traum. Ein Männertraum.
    «Natchaya», murmelte Louise.
    Die Thailänderin wandte sich langsam ab. Sie sank in den Sitz zurück und sah reglos vor sich in die Dunkelheit.
    Louise warf einen Blick über den Türrahmen. Der Audi stand auf dem Acker. Der Motor lief, auf der Fahrerseite waren beide Türen geöffnet. Ein Schatten kniete an der Stelle, wo der vordere Mann aus ihrem Blickfeld verschwunden war. Hektische Stimmen drangen herüber. Sie brauchte einen Moment, um die Sprache zu erkennen. Kein Rumänisch oder Bulga-risch oder Polnisch, sondern Französisch. Akzentfrei.
    Franzosen, keine Osteuropäer.
    Scheiße, ihr müsst mich zu Steiner bringen!
    Kannst du aufstehen?
    Ah, pass doch auf.
    Kannst du aufstehen?
    Weiß ich doch nicht! Scheiße, ihr müsst mich zu Steiner bringen! Scheißdreck!
    Zwei Stimmen. Wo war der dritte Mann? Er war ein Stück weiter von der Straße entfernt gewesen. Den Audi musste er längst erreicht haben. Aber er war nicht zu sehen.
    Hastig wandte sie sich wieder dem Sharan zu. Erst jetzt begann sie zu überlegen, was sie tun sollte. Ver-haftungen vornehmen konnte sie nicht – sie befand sich in Frankreich. Darüber hinaus war sie krankge-schrieben.
    Und sie war allein. Und hatte kein Telefon.
    Und wusste nicht, wo sich der dritte Mann befand.
    Aber sie konnte nicht einfach davonlaufen. Sie brauchte Informationen, sie musste wissen, wo die Kinder waren, wie sie an Asile d’enfants herankam, wo sich Jean Berger befand.
    Sie warf die Tür zu und eilte auf die andere Seite des Sharan.
    Annegret Schelling kippte ihr entgegen, als sie den Schlag aufriss. Sie schob sie zurück und zischte: «Wo sind die Kinder?»
    Annegret Schelling stöhnte nur.
    Dann kommst du eben mit, dachte Louise und sagte: «Raus mit Ihnen.» Sie zerrte sie aus dem Wagen.
    Doch Annegret Schelling konnte nicht stehen geschweige denn laufen. Ihre Beine knickten ein. Wim-mernd fiel sie auf die Knie und erbrach sich.
    Louise stieß einen Fluch aus und öffnete die Beifahrertür. Natchaya sah sie nicht an. Ihre Augen waren halb geschlossen. Mit leiser, überraschend tiefer Stimme summte sie eine Melodie vor sich hin. Louise brauchte einen Moment, um sie zu erkennen. «Für Elise».
    «Komm», sagte sie und ergriff Natchayas Arm.
    Sie rannten über die Weide auf die Bäume zu, Natchaya voran, Louise dicht hinter ihr. Trotz ihrer Zier-lichkeit bewegte sich Natchaya kraftvoll. Während Louise bald laut zu schnaufen begann, war von ihr kein Laut zu hören.
    Nach wenigen Minuten bedeutete Louise ihr, stehen zu bleiben. Sie wandte sich um.
    Der dritte Mann blieb wie vom Erdboden verschluckt. Da sie nicht auf ihn geschossen hatte, konnte er nicht verletzt sein. Hatte sie ihn am Audi überse-hen? Fuhr er längst mit den beiden anderen zu «Steiner»?
    Möglich. Wahrscheinlicher aber war, dass er ihr folgte.
    Sie versuchte, sich zu erinnern, wie oft sie geschossen hatte. Viermal?

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