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Bottini, Oliver - Louise Boni 01

Titel: Bottini, Oliver - Louise Boni 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mord im Zeichen des Zen
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Angst um Pham.
    Andere Sorgen machte sie sich nicht. Abgesehen davon, dass sie plötzlich an Familie, Reihenhaus und Garten dachte. Eine Siebzigerjahre-Karriere, für die sie zu alt war.
    Lederle sagte: «Die Kerle haben Niksch erschossen, und das weiß Chervel.»
    Sie gelangten in die Rhein-Ebene. Sekundenlang verschwand die Sonne hinter Winterwolken. Dann brach sie wieder hervor. Familie, Reihenhaus und Garten. Kuschelweich-Träume, die sie als Teenager gehabt hatte, während ihre Eltern aufeinander ein-schrien. Rosarote Sehnsüchte. Schlimmer noch: Mick-Sehnsüchte. Keine Woche, in der er sie nicht gedrängt hätte, das Berufsleben aufzugeben.
    «Außerdem war es Notwehr.»
    «Ist ja gut, Reiner.» Sie klopfte Lederle beruhigend auf den Oberschenkel. Als sie die Hand zurückzog, fragte sie sich, wie sie jahrelang mit ihm hatte kom-munizieren können, ohne ihn zu berühren. «Ich werde ein bisschen schlafen.»
    «Schmerzen?»
    «Nein, nur müde.»
    Sie schloss die Augen und dachte an den Toten. Sie sah ihn von der Seite auf den Mégane zueilen, dann platzte das Beifahrerfenster, und er war verschwunden. An seine Stimme erinnerte sie sich nicht. Nur an das, was er gesagt hatte. An den Schmerz, die Panik in seinen Worten. Scheiße, ihr müsst mich zu Steiner bringen! Scheißdreck! Sie hatte ihn nicht töten wollen, aber sie empfand kein Mitleid, keine Reue.
    Dann stand der Tote in einem Garten und sah aus wie Richard Landen. Neben ihm stand Pham. Sie hielten einander an der Hand und blickten ihr entgegen.
    Sie schienen auf sie zu warten.

    16
    IM KRANKENHAUS wartete ihr Vater. Er saß auf demselben Stuhl wie am Vortag, trug denselben Anzug. Sie sah ihm an, dass er nur wenig geschlafen hatte. Der Gedanke, dass er in der Anatol-Bettwäsche gelegen hatte, verursachte ihr Schwindelgefühle. Unfreundlicher als beabsichtigt sagte sie: «Papa, wir müssen was besprechen.»
    Er nickte.
    Sie setzte sich aufs Bett. «Ich möchte, dass du in ein Hotel gehst.»
    «In ein Hotel?» Vor Überraschung sagte er «–otel».
    Sie ließ sich langsam nach hinten sinken. Ihre Schulter tat noch immer weh. Erst jetzt merkte sie, wie erschöpft sie war. Wie kraft- und mutlos. Seit dem Moment, als der kleine böse Freund in sie eingedrungen war, spürte sie, dass sie den Willen, gegen den Lauf der Dinge aufzubegehren, zunehmend verlor. Er hatte eine Schneise in sie geschlagen, in der Mutlosig-keit und Apathie gediehen. Ein Bewusstein der Ohnmacht, das sie so nicht kannte.
    Sie hörte, dass ihr Vater aufstand. Dann spürte sie seine Hände an ihren Füßen. Er öffnete ihre Schnür-senkel und zog ihr die Schuhe aus.
    Sie sah ihn an. «Danke.» Sie versuchte, in seiner Miene zu lesen, ob er Anatol in ihrer Wohnung bemerkt hatte.
    Ihre Unterwäsche aufgeräumt, ihre Alkoholvorräte entdeckt, den Abgrund gesehen hatte.
    «Darf ich dich etwas fragen, Louise?»
    «Wenns sein muss.»
    «Wo warst du?»
    Sie überlegte, ob sie ihm von den Vogesen erzählen sollte. Davon, dass sie auf der Fahrt an seine Familie und an Gérardmer gedacht hatte. Aber sie war zu müde und sagte nur: «Dienstlich unterwegs.»
    Er setzte sich neben sie. Sein Blick lag für einen Moment auf ihrer linken Schulterpartie, die dick war wie bei einem Rugbyspieler. «Ich will nicht in dich dringen, Louise, aber was bedeutet das, dienstlich unterwegs? Ich habe keine Vorstellung davon, was du machst. Ich weiß, dass du bei der Kriminalpolizei arbeitest, und ich kenne deinen Dienstgrad und deinen Kollegen, Herrn Lederle. Aber wie dein Büro aussieht, welche Fälle du bearbeitest, was genau deine Aufga-ben sind, das weiß ich alles nicht.»
    «Ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass es dich interessiert, Papa.»
    «Weil ich dich nie gefragt habe. Ich wusste, du bist Polizistin, und das genügte mir, weil ich der Ansicht war, ich wüsste, was das heißt. Ich fand es beeindru-ckend und beruhigend. Ich war stolz, es ist ein sehr wichtiger Beruf. Wichtiger als alles, was ich jemals gemacht habe. Der Gedanke, dass du dich für uns andere Menschen dem Verbrechen entgegenstellst, rief in mir Bewunderung für dich hervor. Meine Tochter ist Polizistin.» Er lächelte. «Wenn ich in der Zeitung las, dass die Kehler Polizei ein Verbrechen aufgeklärt hatte, dachte ich immer: Louise ist in Freiburg auch Polizistin. Sie sorgt in Freiburg für Ordnung. Ich dachte nie: Womöglich stirbt sie dabei.»
    «Ich sterbe nicht dabei, Papa.»
    Sie rutschte vom Bett und trat ans Fenster. Draußen war alles

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