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Bottini, Oliver - Louise Boni 01

Titel: Bottini, Oliver - Louise Boni 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mord im Zeichen des Zen
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Badezimmerschränkchen stand ein 2-cl-Jägermeister. Aber vor ihrem Vater? Sie brachte es nicht über sich. Noch nicht.
    Ihr Blick fiel auf den Anrufbeantworter. Fünf Nachrichten. Fünf Anrufe in einer Woche. Mehr als früher in einem Monat. Sie rutschte nach rechts, schob den Lautstärkeregler gegen null und drückte die Play-Taste.
    Einmal Anatol, einmal Enni, dreimal Richard Landen. Drei Menschen, die sie bis vor einer Woche nicht gekannt hatte. Anatol sagte, hey, wo bist du. Enni sagte, atmen Sie auch regelmäßig, Kommissar? Richard Landen sagte, Sie sind so plötzlich gegangen.

    Sein letzter Anruf war von gestern. Er hatte nach Taro gefragt und ob sie nun doch im Urlaub sei. Er wolle sich verabschieden, «sie» flögen am Freitag nach Japan.
    Freitag war morgen.
    Sie löschte die Nachrichten.
    Bei Tommo / Landen nahm niemand ab. Nach dem sechsten Freizeichen sprang der Anrufbeantworter an.
    Sie legte auf und wandte sich wieder ihrem Vater zu.
    «Hans Filbinger, Papa. Ihr habt seinetwegen aufeinander eingebrüllt, du und Mama.»
    «Aber nein, das hast du falsch in Erinnerung. Wir haben nicht ‹aufeinander eingebrüllt›.»
    «Wie bitte?»
    «Man könnte sagen, wir waren unterschiedlicher Ansicht. Zu dieser Zeit war es schon nicht mehr möglich, mit deiner Mutter ein normales Gespräch zu führen, musst du wissen. Vielleicht hast du es deshalb
    …‼
    Sie erhob sich abrupt. Ihr Vater erstarrte. Sie sagte:
    «Ich muss aufs Klo.»
    Der Jägermeister befand sich da, wo er hingehörte.
    Zur Sicherheit putzte sie sich die Zähne. Dann kehrte sie ins Wohnzimmer zurück und sagte: «Was soll das heißen, es war nicht mehr möglich, normal mit ihr zu sprechen?»
    «Sie war …‼ Ihr Vater brach ab, schien nach den richtigen Wörtern zu suchen.
    «Was war sie, Papa?» Sie setzte sich neben den Anrufbeantworter.

    «Warte, der Kaffee.» Ihr Vater füllte zwei Becher.
    Sekundenlang starrte er auf den Topf mit der Milch hinab. Dann schaltete er den Herd aus, goss Milch in die Becher, kam zum Sofa. Auch er hatte, wie ihre Mutter, nicht wieder geheiratet. Etwaige Freundinnen hatte sie nicht kennen gelernt. Nie waren Namen er-wähnt worden. Sie hatten sich, so schien es, gegensei-tig auf Dauer zerstört.
    Als er sich neben sie setzte, erhob sie sich. Er reichte ihr einen der Becher. «Sie war krank, Louise. See-lisch krank.»
    «Quatsch.»
    «Sehr, sehr krank.»
    «So ein Quatsch , Papa.»
    Ihr Vater nickte bedauernd und sagte nichts. Sie dachte an ihre Mutter. An die Kraft, die selbst nach all den Niederlagen noch in ihr steckte. Warum hatte sie trotz dieser Kraft immer nur verloren? Half es nicht, die eigene Vergangenheit zu verdrängen oder zu vergessen? Musste man die Vergangenheit ändern, wie ihr Vater es tat? Sie musterte ihn. Er wirkte jetzt sehr ruhig und selbstsicher. Niemand konnte ihm noch gefährlich werden. Zweifel existierten nicht mehr.
    Daran, begriff sie plötzlich, war ihre Mutter gescheitert. Wer sich in einem Irrtum einigelt, wird siegen.
    Sie legte die Hände um den Becher und wandte sich zum Fenster. «Lass uns eins klarstellen, Papa. Du sagst, du willst mich besser kennen lernen. Okay, von mir aus, aber ich garantier dir, es wird dir nicht gefallen, mich besser zu kennen.»

    «Sprich nicht so, Louise. Ich bin davon überzeugt, wir können alles besprechen, sei es auch noch so …
    problematisch.»
    Das Telefon klingelte. Sie bewegte sich nicht. «Darum geht’s nicht. Ich stelle Fragen , Papa.»
    «Wie meinst du das, ma chère?»
    Ma chère? Sie wandte sich um. So hatte er sie seit den späten Sechzigern nicht mehr genannt. «Wenn du an meinem Leben teilhaben willst, wirst du mir meine Fragen beantworten müssen, Papa, verstehst du? Ich stelle Fragen, so bin ich nun mal, ich hab keine Lust, mich damit zufrieden zu geben, etwas nicht zu wissen oder nicht zu verstehen. Ich stelle Fragen, okay? Und mir würden auf Anhieb mindestens ein Dutzend Fragen einfallen, die ich dir stellen würde und die du mit Sicherheit nicht hören willst. Soll ich deutlicher werden?»
    Ihr Vater sah sie nicht an. «Vielleicht solltest du lieber erst ans Telefon gehen.»
    «Und danach, Papa? Fangen wir dann an mit den Fragen?»
    «Bitte, chérie, das Telefon, das Klingeln macht mich ganz unruhig …‼
    Sie hob ab. Es war Bermann. «Wir haben was», sagte er, «und ich will, dass du mitkommst.»
    Ihr Vater schwieg, als sie sich verabschiedete. Er stand neben dem Sofa, eine Hand auf der Lehne, die andere war zu einer

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