Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
nickte erneut. Auch das kam ihr irgendwie logisch vor.
In Freiburg und Emmendingen die Pakistaner, in Islamabad der Bosnier.
Marcel hatte aufgeräumt.
Die Polizeidirektion war hell erleuchtet. Schutzpolizisten und Kripobeamte eilten durch die Flure. Männer vom MEK. Auf der Treppe kam ihr Löbinger entgegen, aber er beachtete sie nicht.
Plötzlich war Thomas Ilic neben ihr. Sie berührte seinen Arm.
Sie hätte gern geweint vor Erleichterung darüber, dass ihm in Heuweiler nichts passiert war, aber das hatte sie, wenn sie sich recht erinnerte, auf der Lichtung in seinen Armen bereits getan.
Während sie nach oben eilten, berichtete er.
Abdul Rashid und seine Frau waren von Paulings Leuten verhaftet worden. Die Frau hatte einen Nervenzusammenbruch erlitten, die Kollegen hatten den Notarzt rufen müssen. Sie waren noch in der Wohnung. Rashid war mittlerweile in der Polizeidirektion, Pauling selbst hatte ihn gebracht. Vormweg hatte die höchste Sicherheitsstufe ausgerufen. Rashid mochte distinguiert und harmlos aussehen, er galt fürs Erste als Terrorist.
Nach den drei Pakistanern aus Karatschi und Marcels Leuten wurde gefahndet. Aus Stuttgart waren zwei Helikopter unterwegs, aus Lahr mehrere Züge Bereitschaftspolizisten, aus Wiesbaden das BKA.
Aber sie konnten überall sein.
»Vielleicht nicht«, sagte Louise.
»Was?«
»Der Amerikaner. Wenn Amerikaner dabei waren …« Sie brach ab. Sie hatte an Militärbasen gedacht, aber dann war ihr Baudys Bericht eingefallen – Amerikaner im Großen Tal.
Doch dort hätten sie in der Falle gesessen.
»Du denkst an eine amerikanische Militärbasis?«
»Na ja, was man so hört und liest.«
Thomas Ilic sagte nichts. Er schien zu überlegen, was man so hörte und las.
»Söllingen bei Baden-Baden«, sagte sie.
»Wurde Anfang der Neunziger aufgegeben.«
»Ach? Dann Ramstein. Oder Spangdahlem.«
»Das sind zwei bis drei Stunden Fahrt, Louise.«
»Von dort können sie sie problemlos ausfliegen.«
Thomas Ilic nickte. »Übrigens, das Große Tal.«
»Da würden sie in der Falle sitzen, Illi.«
Thomas Ilic hatte in Adam Baudys Bericht nachgelesen. Als Baudy am Montagmorgen überlegt hatte, wer Riedingers Schuppen angezündet haben mochte, hatte er spontan an die Asylbewerber vom Keltenbuck gedacht, an die Holländer auf dem Campingplatz, an die amerikanischen Studenten, die im Großen Tal zelteten.
Sie schwiegen einen Moment. Amerikanische Studenten, das klang nun doch sehr weit hergeholt. Aber das galt auch für Ramstein und Spangdahlem.
Ihr fiel ein, dass Marcel Kirch zartengesagt hatte. Dass er das Große Tal vielleicht kannte, weil er vielleicht einmal in der Region gelebt hatte.
Sie bekam das Große Tal nicht aus dem Kopf.
»Wir müssen mit Baudy reden«, sagte sie.
»Später«, entgegnete Thomas Ilic.
Sie nickte. Sie dachte, dass Baudy Recht gehabt hatte. Steht doch alles in meinem Bericht, hatte er gesagt.
Im Dezernat 11 im dritten Stock herrschte vollkommene Ruhe.
Niemand war zu sehen, nur Vormweg und Almenbroich. Sie standen im Gang, blickten ihr entgegen. Almenbroichs Hand lag auf der Klinke zu einem der Büros. Aber es sah nicht so aus, als wollte er die Tür öffnen. Er schien sich abzustützen.
Sie blieb stehen. Zum ersten Mal, seit Thomas Ilic angerufen hatte, kam ihr die Frage nach der Verantwortung in den Sinn.
Marcel war in ihrer Wohnung gewesen. Sie hatte ihn als Einzige gesehen, sie hatte als Einzige mit ihm gesprochen.
Sie hatte ihm geglaubt. Sie hatte den anderen von ihm erzählt.
Sie suchte in den Blicken von Vormweg und Almenbroich nach Schuldzuweisungen, Vorwürfen. Aber sie fand nur Ratlosigkeit, Entsetzen, Erstarrung.
»Wie geht’s dem Arm«, sagte Vormweg.
»Eine Katastrophe, Louise«, sagte Almenbroich.
Auf der anderen Seite des Gangs wurde eine Tür geöffnet.
Eine Frau, die sie nicht kannte, trat heraus. Sie war klein, blass, unscheinbar, roch nach Zigarettenrauch. Das Kostüm aus dem Billigkaufhaus, die Frisur aus der Frauenzeitschrift. Auf den ersten Blick eines jener traurigen, übergangenen Wesen, die in Drogeriemärkten an der Kasse saßen. Aber Vormweg und Almenbroich standen stramm. »Die Kollegen sind in einer Stunde hier«, sagte die Frau.
Vormweg nickte.
»BKA«, erklärte Almenbroich Louise.
Vormweg erwachte aus der Erstarrung. »In fünf Minuten ist Besprechung im Soko-Raum.«
»Wo ist das?«, fragte die Frau.
»Im vierten Stock. Kommen Sie.« Vormweg ging mit ihr weg.
»Was für eine Katastrophe«,
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