Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
ist jetzt wieder Milton?«
»John Milton, der Autor von Paradise Lost. In Pandämonium, der Stadt Luzifers, versehen die höllischen Legionen ihren Dienst.«
»Ach, Lissi«, sagte Täschle unglücklich.
»Ach, Lissi, ach, Lissi«, äffte Lisbeth Walter ihn nach. »So ist das nun mal, Henny, du siehst im Wald die Bäume, ich sehe die Zwischenräume. Und nun sag mir, was interessanter ist.«
Sie schwiegen, tranken, wechselten Blicke. Schließlich bat Louise: »Bringen Sie mich hin.«
»Grundgütiger«, seufzte Lisbeth Walter.
Louise und Täschle warteten vor dem Haus. Täschle rief im Posten an, informierte seinen Beamten, wo er war, was sie vorhatten. Louise überlegte, ob sie Lust hatte, jemanden zu informieren – Bermann, Almenbroich, Günter –, aber sie hatte eher keine Lust. Schweigend blickte sie auf Oberried, Kirchzarten in der Ferne hinunter. Fünf oder sechs Frauen oder Männer mit Rucksäcken, die nachts über die Hügel zwischen Feldberg im Osten und Schauinsland im Westen wanderten. Ein Waffendepot unter einem Schuppen an der B 31 ohne einen einzigen Schuss Munition. Gab es ein zweites Depot mit der Munition? Dort, wo Lisbeth Walters schwarze Horden hergekommen oder hingegangen waren?
»Was war mit dem Segelflieger?«
Täschle hatte nicht zugehört. Sie wiederholte die Frage.
Anfang Juli war ein Segelflugzeug mit zwei Personen vom Kirchzartener Flugplatz gestartet. Über Oberried hatten es Fallwinde hinabgedrückt. Es war auf dem Dach eines Wohnhauses gelandet. Keine Verletzten, alles war glimpflich abgelaufen. »Lissi« hatte, wie alle anderen Bewohner von Oberried, den lauten Knall gehört, als die linke Tragfläche abgebrochen war.
Täschle verstummte, Lisbeth Walter kam.
Sie folgten dem Weg auf den Hügel hinauf, gingen eine Weile am Waldrand entlang. Die Luft roch intensiv nach trockenem Gras, trockener Rinde. Lisbeth Walter sagte: »Stellt euch bitte darauf ein, dass ich die exakte Stelle nicht finde, nur die ungefähre, ja?« Louise und Täschle schwiegen.
Nach einer Viertelstunde betraten sie den Wald. In Serpentinen führte Lisbeth Walter sie den steilen Hang hoch.
Ein Pfad war nicht erkennbar. Unter ihren Schuhen brachen geräuschvoll Zweige und vertrocknetes Laub. Obwohl sie im Schatten der Bäume gingen, war es unerträglich heiß. Täschles Hemdrücken war dunkel vom Schweiß, ihr T-Shirt klatschnass, ihre bloßen Arme glänzten. Und doch fühlte sie sich wohl in diesem Wald. Vier Monate lang war sie von Wald umgeben gewesen, ein sanftmütiger Schutzherr gegen jegliche Ablenkungen und Dämonen. Ganze Tage war sie spazieren gegangen, manchmal mit Roshi Bukan, Chiyono, einem der anderen Klosterbewohner, meistens jedoch nur in Begleitung der grauen Katze oder ganz allein. Im Wald wie in den kalten, dunklen Klosterräumen war es einfacher gewesen, sich den Dämonen zu widersetzen, als in den vergangenen drei Wochen in Freiburg. In der Stadt wollte das Leben weitergehen, als hätte es die Zeit in Oberberg und die Monate im Kloster nicht gegeben.
Sie überquerten eine Lichtung, dann wurde der Waldboden unebener, die Bäume standen dichter. Kein Lüftchen regte sich.
Louise überlegte kurz, was Lisbeth Walter nachts hierhertreiben mochte, aber sie nahm sich vor, nicht zu fragen. Sie wollte nicht wissen, inwiefern sie »eigen« war. Lisbeth Walter hatte zu einer ungewöhnlichen Zeit an einem ungewöhnlichen Ort ungewöhnliche Menschen gesehen, allein das zählte.
Sie fragte sich, was Täschle und seine Zeugin verbinden mochte. Auf seinem Schreibtisch stand, wenn sie sich recht erinnerte, ein Foto von einer blonden Frau und drei blonden Kindern. Er und Lisbeth Walter schienen sich aus einer Zeit zu kennen, als es das Foto noch nicht gegeben hatte.
Als sie noch nicht nachts allein in den Wald gegangen war.
Etwa eine halbe Stunde, nachdem sie aufgebrochen waren, traten sie auf eine kleine Lichtung hinaus. Lisbeth Walter sagte, sie wisse, dass es hier irgendwo gewesen sei, aber nicht mehr, wo genau. Die Personen seien im Wald parallel zu der Lichtung gegangen, sie selbst habe unmittelbar am Rand an einem Baum gesessen. Louise begegnete Täschles Blick. Er lächelte traurig und warnend zugleich. »Wo sind wir?«, fragte sie.
»Zwischen Oberried und Sankt Wilhelm«, erwiderte er.
»Gibt es hier Straßen? Wanderwege?«
»Wege und ein paar Forststraßen. Ein Stück im Osten ist der Drei-Seen-Radwanderweg, im Westen die Straße von Sankt Wilhelm nach Oberried.«
»Mit Henny verläuft
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