Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
sich nachts um halb eins ausgesucht hatte.
Dreißigtausend Kilometer, Klimaanlage, Schiebedach, dezenter Lederbezug, elektrisch verstellbare Seitenfenster und Außenspiegel, drei Türen, Baujahr 1999. Eine gute Wahl, fand sie. Das richtige Auto für eine geschiedene, kinderlose Frau ohne Großfamilie, echte Freundinnen, nennenswerte Männerbekanntschaften. Ein bisschen luxuriös im Innenleben, nach außen hin eher bescheiden, ganz wie sie selbst. Und dabei so eben noch spießig genug, um sie bei dem Versuch zu unterstützen, trocken zu bleiben, ins bürgerliche Leben zurückzufinden, vielleicht den einen oder anderen Reihenhaustraum zu verwirklichen.
Der Polizeiposten war im Erdgeschoss eines Wohnhauses in Zentrumsnähe untergebracht. Louise hielt einer Frau mit Kinderwagen die Eingangstür auf, grüßte ein barfüßiges Kind, das auf der Treppe spielte, ging dann einen kurzen Flur hinunter.
Heinrich Täschle empfing sie an der Tür. Er war noch größer, als sie ihn in Erinnerung hatte – wohl knapp einen Meter neunzig –, hager und misstrauisch. Auf dem Weg zu seinem Büro sah sie einen weiteren Beamten der Schutzpolizei.
Ansonsten schien niemand da zu sein. In seinem Büro zeigte Täschle auf einen runden Tisch und sagte: »Bitte.« Sie setzte sich. Täschle öffnete eine Kekstüte, schüttete Kekse auf einen Teller, brachte eine Thermoskanne Kaffee, füllte zwei Tassen.
Sie biss in einen Keks und machte »Mhm«.
Täschle setzte sich nicht. »Zehn Uhr«, sagte er hoch über ihr,
»da machen wir Dorfpolizisten Kekspause.«
»Wir Großstadtpolizisten auch.«
»Ihr Chef macht nie Pause. Der ist rund um die Uhr in Betrieb.
Der hat so viel um die Ohren, dass er sich nicht mal einen einfachen Namen merken kann. Ist das ein Kriporitual?«
»Kann es sein, dass Sie ein Problem mit der Kripo haben?«
»Jawohl.« Täschle lächelte freundlich.
»Schön, dass wir das gleich am Anfang geklärt haben, ich brauche nämlich Ihre Hilfe.«
»Die Kripo braucht die Hilfe der Schutzpolizei?«
»Ach Gott, Herr Täschle.«
» Unser Ritual. Wenn die Kripo vorbeischaut, kriegt sie Kekse, dafür muss sie sich die Klagen der Schutzpolizei anhören.«
»Sagen Sie’s mir, wenn Sie mit den Klagen fertig sind.«
»Bin ich.« Täschle lächelte wieder. Er schien gern zu lächeln.
Er setzte sich, nahm einen Keks, hörte nicht auf zu lächeln.
Kauend sagte er: »Lassen Sie mich raten. Sie wollen, dass ich Sie zu Adam Baudy begleite und zu Hannes Riedinger.«
»Später.«
»Später, natürlich. Vorher wollen Sie wissen, was ich im Ort so gehört hab.«
»Später. Vorher will ich Milch und Zucker für meinen Kaffee.«
Sie tranken und aßen, während Heinrich Täschle erzählte. Seit gestern Morgen gingen er und fünf seiner Beamten – der sechste blieb im Posten – durch den Ort und stellten Fragen. Wirklich Brauchbares war dabei nicht herausgekommen. Manche hatten merkwürdige Dinge oder merkwürdige Menschen gesehen, manche hatten Vermutungen, manche hatten es schon immer gewusst. Von den Asylbewerbern am Keltenbuck war die Rede, von betrunkenen Holländern auf dem Campingplatz, von Neonazis, natürlich von Riedinger, dem gescheiterten Bauern, Mann, Vater.
Täschle zuckte die Achseln. »Dorftratsch halt.«
»Wie in der Großstadt.«
Er lächelte.
Später stiegen sie in den Streifenwagen. Täschle wollte ihr den Ort zeigen, Louise hatte nichts dagegen. Sie war von Günter sitzen gelassen worden, hatte eine Handvoll Kekse mitgenommen, Wasser in der Tasche, warum also nicht. Ein Stück der Hauptstraße hieß im Volksmund »Pfaffeneck«, der Sitz der Verwaltungsspitze am Ortsrand »Talvogtei«. Knapp zehntausend Einwohner, der Bürgermeister von der CDU, Berthold Meiering, vor Jahren aus dem schwäbischen Allgäu importiert, zweimal bei Wahlen gescheitert, was eher an seiner Herkunft als an seiner Kompetenz gelegen hatte, beim dritten Mal hatte es endlich geklappt. Ein kleiner, dicker, ehrenwerter Mann, der froh war, dass die Großstadtbehörden mit ihren Kripobeamten, ihren Staatsanwälten, ihrer Berufsfeuerwehr, ihrer Logistik den Fall übernommen hatten.
Sie verließen Kirchzarten Richtung Süden, fuhren am Campingplatz vorbei hinüber nach Oberried, das wie Stegen, St.
Peter, Buchenbach – samt »Himmelreich« – zum Einzugsbereich des Postens gehörte. In Oberried bogen sie ab, die Straße stieg den Hügel hoch. Louise aß Kekse, trank Wasser, hörte Täschle mit einem Ohr zu, während sie aus dem Fenster
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