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Bottini, Oliver - Louise Bonì 02

Titel: Bottini, Oliver - Louise Bonì 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Im Sommer der Mörder
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wart mit dem Schlafen nicht auf mich, hörst du?«
    »Du weißt doch, dass ich ohne dich nicht einschlafen kann, Bärchen.«
    »Ja, ähm, dir auch, Schatz.«
    Sie beendete die Verbindung, legte den Rückwärtsgang ein, wendete. Dir auch? Langsam fuhr sie vom Hof. Einen schönen Abend noch, Liebling. Ja, dir auch, Schatz. Ehemänner, Ehefrauen. Am Klang der Stimme erkannte man den Grad der Zuneigung. Sie warf einen Blick auf die Lichter von Kirchzarten. Dort irgendwo saß Täschles Frau und wartete. Sie hatte die Kinder ins Bett gebracht, die Türen der Kinderzimmer angelehnt, ab und an drehte sie den Kopf in Richtung Flur, um zu hören, ob sie schon schliefen. Der Fernseher lief, in einem Aquarium schwammen Amazonasfische, auf dem Sofa tollten Hundewelpen. Überall standen Pflanzen, Yucca-Palmen mit grünen Blättern, Alpenveilchen, und wie das Zeug so hieß, auf den Fensterbrettern Orchideen.
    Sie öffnete das Handschuhfach, stöberte darin herum, hielt, als sie nicht fand, was sie suchte, erschrocken inne.
    Sie hatte sich von den Dämonen überlisten lassen.

    Auf Anatol warten kam nicht in Frage, also brachte sie den Ermittlungsakt in die Wohnung und ging wieder hinunter. In der Küche von Ronescu, dem Hausmeister, brannte Licht, durch das gekippte Fenster drang Klezmer-Musik. Seit Ronescu wusste, dass es keine gemeinsamen Trinkgelage mehr geben würde, sprach er kaum noch mit ihr. Sie hatte nicht gewusst, dass sie für ihn so wichtig gewesen war.
    Vor den Studentenkneipen und den Diskotheken in der südlichen Fußgängerzone standen Trauben junger Leute. In der Bertoldstraße hatte eine Straßenbahn angehalten, der Fahrer war ausgestiegen. In der Fahrerkabine saß ein lachender japanischer Tourist, drei andere lachende japanische Touristen knieten vor der Straßenbahn und fotografierten ihn. Auch der Fahrer lachte.
    Unter der Uhr an der Ecke Bertold-/Kaiser-Joseph-Straße hatte sie sich oft mit Mick getroffen. Sie waren zum Mittagessen in die Markthalle gegangen, zum Kaffeetrinken ins Café Atrium.
    Mick hatte Hundeaugen gemacht und Schnuten gezogen, bis sie ihn in der Damentoilette befriedigt hatte, mit allem, was zur Verfügung stand. Auch das waren Hinweise gewesen. Wer nur noch auf öffentlichen Damentoiletten, Autorücksitzen und Schwarzwaldwiesen zu sexuellen Handlungen animiert wurde, stand längst auf dem Abstellgleis.
    Das Himmelreich erwartete man, das Höllental bekam man.
    Aber man lernte. Und manchmal half das Selbstmitleid.
    Eine Kriminalhauptkommissarin, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Hinweise zu übersehen. Sie lachte düster.
    Auf dem Augustinerplatz stand plötzlich Anatol vor ihr. Sie erkannte ihn nicht gleich. Die wilden Locken waren fort.
    »Hey«, sagte er sanft.
    »Hey.« Sie fuhr ihm mit beiden Händen über die Stoppelfrisur.
    Sie hatte lächeln wollen, aber sie weinte schon. Er nahm sie in die Arme, und so standen sie eine Weile da, die alte Frau und der junge Mann, dann sagte der junge Mann, was gesagt werden musste, und obwohl sie nicht verstand, was er da zu erklären versuchte, und obwohl sie ihn nicht liebte, sich nur an ihn gewöhnt hatte, konnte sie nicht aufhören zu weinen, nicht einmal dann, als sie ihn fortschickte und allein nach Hause ging.

    Später saß sie auf dem Sofa, betrachtete die Flaschen auf dem Couchtisch, dachte dabei: Mitternacht ohne den Mitternachtsmann, das ist ganz unvorstellbar. Sie sah auf die Uhr, zehn vor zwölf. Heute nicht, hatte sie sich geschworen, und sie schwor es sich wieder: Heute nicht.
    Aber morgen vielleicht.
    Die Dämonen schwiegen. Sie wusste, weshalb. Die lagen auf der Lauer, warteten.
    Neun Minuten vor zwölf. Wie lang Minuten sein konnten.
    Sie stand auf. Beim Wandern durch die Wohnung vergingen die Minuten schneller. Auch eine CD einlegen half, Barclay James Harvest natürlich, »Poor Man’s Moody Blues« in der Endlosschleife. Im Schlafzimmer dachte sie daran, dass die Rückfallquote ohne Weiterbehandlung nach der Entgiftung bei fünfundneunzig Prozent lag, mit Weiterbehandlung bei dreißig bis sechzig Prozent. Galten vier Monate Zen-Kloster als Weiterbehandlung? Als Langzeittherapie?
    Jedenfalls wäre sie in guter Gesellschaft.
    Im Bad starrte sie ihr Spiegelbild an. Äußerlich zu schön für Anatol, der ihre »unterirdische Schönheit« nicht wiederfand, in die er sich verliebt hatte.
    Ein Mann, der suchen wollte, nicht sehen.
    Sie erinnerte sich. Damals, im Winter, hatte er gesagt, sie sei nicht auf den ersten Blick schön,

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