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Bottini, Oliver - Louise Bonì 02

Titel: Bottini, Oliver - Louise Bonì 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Im Sommer der Mörder
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weil sie nicht wirklich schlank sei, weil sie sich nicht um ihre Haare kümmere, dafür werde sie, wenn man sie länger ansehe, immer schöner, weil ihre Mimik, ihr Lachen, ihr Schmunzeln, ihr Blick und ihr Körper eine eigene Schönheit besäßen, etwas Warmes, Wildes, Trauriges, Einzigartiges, Echtes, und dann könne man gar nicht mehr wegsehen oder die Finger von ihr lassen.
    Nun war sie schlank und kümmerte sich um ihre Haare, nun konnte er die Finger von ihr lassen. War denn das Warme, Wilde, Traurige, Einzigartige, Echte weg, nur weil sie sich um ihre Haare kümmerte?
    Sie wanderte ins Wohnzimmer. Was für ein Quatsch damals, was für ein Quatsch heute. In welchen Kategorien Menschen fühlten.
    »Poor Man’s Moody Blues« begann von vorn. Sie sah auf die Uhr. Mitternacht, auch wenn der Mitternachtsmann nie mehr kommen würde.
    Sie setzte sich aufs Sofa, ließ den Blick über die Flaschen gleiten. Wodka, Bourbon, Jägermeister, Wodka. Gestern nicht, dachte sie, heute vielleicht schon. Wenn sie selbst es wollte –
    nicht wegen eines Mannes oder irgendeines anderen Menschen oder eines Hundes. Nur wenn sie selbst es wollte.
    Wollte sie es?
    Ja, ja, ja, schrien die Dämonen.

    Sie lag im Bett, als Heinrich Täschle anrief. Sein Atem ging schnell, er machte Pausen beim Sprechen, im Hintergrund quietschte etwas. Er saß auf dem Fahrrad, fuhr vier Liter Bier und etliche Gläser Schnaps nach Hause. Er lachte. Seine Stimme klang sanft wie vorhin bei ihrer kleinen Charade, und er duzte sie wieder. Louise liefen Anatol-Tränen über die Wangen und Täschle-Schauer über den Rücken. Sie setzte sich auf. Täschle sagte, er habe einen Namen für sie, Ernst Martin Söllien, ein Anwalt aus Freiburg, der vor zwei Jahren Riedingers Weide habe kaufen wollen. Damals habe Riedinger die Weide noch für die verbliebenen Kühe genutzt, das Angebot deshalb abgelehnt.
    Dann, vor etwa einem Jahr, habe er verkaufen wollen und Söllien angerufen. Er sei in einer Kanzlei gelandet – und habe erfahren, dass Söllien ein paar Monate zuvor gestorben sei.
    »Mist«, sagte Louise.
    »Ja«, sagte Täschle schnaufend.
    Sie sank aufs Bett zurück. »Trotzdem danke. Wie hast du ihn dazu gebracht, es dir zu erzählen?«
    »Hab wohl die richtige Frage gestellt.«
    »Und zwar?«
    Täschle ächzte, das Rad quietschte. »Ob er noch oft an die Kinder und die Kathi denkt.«
    »Und?«
    »Na, eigentlich kann man’s sich ja denken, oder?«
    »Ja. Erst prügelt er sie weg, dann weint er ihnen nach.«
    »Grundgütiger, seid ihr Großstadtleute herzlos.«
    Grundgütiger? Sie schmunzelte. »Nicht herzlos, Henny. Wir vergessen nur nicht.«
    »Das können wir Dorfleute besser.«
    Louise lachte. »Bringst du mich morgen zu Adam Baudy?«
    »Ja, aber jetzt muss ich Schluss machen, ich muss …« Er brach ab.
    »Sag’s nur, Henny.«
    »Ich muss jetzt mal pissen.«

    Der Name holte sie aus dem Schlaf. Sie schlug die Augen auf.
    Ernst Martin Söllien. Sie hatte diesen Namen schon gehört.
    Zwanzig nach vier, draußen dämmerte es. Ernst Martin Söllien. Sie stand auf.
    Sie hatte von dem Vermummten geträumt. Obwohl er sich ihr auch im Traum nicht offenbart hatte, hatte sie gewusst, dass er Richard Landen war. Sie hatte ihn in die Damentoilette des Café Atrium gezogen und dort auf dem Boden mit ihm geschlafen.
    Im Wohnzimmer lief »Poor Man’s Moody Blues«, und es stank nach Alkohol. Hatte sie, oder hatte sie nicht?
    Nein, sie hatte nicht. Sie hatte die Flaschen geöffnet und ins Spülbecken geleert. Sie ging um die Küchenzeile, drehte den Wasserhahn auf, schwemmte die Reste weg.
    Ernst Martin Söllien. Erinnerung oder Einbildung? Wo hatte sie den Namen gehört? Oder hatte sie ihn gelesen?.
    Sie nahm die Ermittlungsunterlagen, setzte sich auf den Boden. Ernst Martin Söllien, vermutlich Anwalt. Sie blätterte sich zu den Informationen über die Prozessbeteiligten von Rottweil 1992 durch.
    Und da stand er. Rechtsanwalt Dr. Ernst Martin Söllien, Kanzlei Uhlich & Partner, Freiburg. Mandant: Halid Trumic, geboren am 16. 12. 1949 in Tuzla, Jugoslawien/Teilrepublik Bosnien-Herzegowina, Ende 1992 zu einer Geldstrafe verurteilt wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz.
    Adrenalin schoss durch ihre Blutbahnen. Ernst Martin Söllien, Halid Trumic. Die ersten Namen.

    6
    UM SECHS KAM DER REGEN. Louise stand mit Almenbroich am geöffneten Fenster seines Büros, sah zu, wie dicke Tropfen auf die Dächer klatschten. Abkühlung brachten sie nicht, die Luft blieb warm und

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