Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
kommen Sie zu mir, dann organisieren wir jemanden von außerhalb der Soko.« Almenbroich schwieg, wischte sich mit einem Stofftaschentuch den Schweiß von Stirn und Wangen. Seine Hand zitterte leicht.
»Jemanden von der Kripo, der freiwillig gegen Bermann oder Löbinger arbeiten würde?«
»Wenn ich es anordne?«
»Einer von den beiden wird demnächst Leiter der Inspektion I.«
»Woher wissen Sie das? Wir haben sieben Bewerbungen.«
Almenbroich lächelte matt. »Nun, wir werden sehen, wie wir das Problem lösen. Haben Sie sich eine Ersatzwaffe besorgt?«
»Die H&K von Günter.«
»Die neue H&K? Haben Sie damit Erfahrung?«
»Ich kenne die Unterschiede. Dreizehn Schuss statt acht, achtzig Gramm leichter, nach jedem Schuss automatisch entspannt. Wird schon gehen.«
»Das ist fahrlässig, Louise.«
»Ich schau heute im Schießkino vorbei.«
»Das reicht mir nicht. Die H&K ist eine hervorragende Waffe, aber die Umstellung von der Walther verläuft nicht ganz problemlos.«
»Ich weiß. Manche Kollegen schießen zu weit links und zu tief.«
»Gehen Sie zum WuG, der gibt Ihnen eine Walther P5.«
»Der WuG fand gestern, das wäre nicht notwendig.«
»Nun, ich sorge dafür, dass er das heute anders sieht. Wären Sie so nett, das Fenster zu öffnen?«
Sie erhob sich. Auf der Heinrich-von-Stephan-Straße staute sich der Verkehr Richtung Innenstadt. Der Regen hatte nachgelassen, überall brach die Wolkendecke auf. »Danke«, sagte Almenbroich.
Sie nickte.
Jenseits der Bahnlinie waren die Hochhäuser von Weingarten zu sehen. Sie dachte an Günters Übelkeit, die Erklärungen, das Geschwür, das die Karlsruher Spezialistin finden sollte. Sie konnte nur ahnen, wie es ihm jetzt ging in dieser winzigen schwarzen Wohnung, auf seinem einsamen schwarzen Weg.
Nein, kein Psycho, kein Verrückter, keiner, der mit dem Leben Probleme hatte. Nur ein Mann mit einem Geschwür, oder was auch immer in seinem Magen oder Darm saß, oder wo auch immer es saß.
Sie setzte sich. »Sie können Günter nicht suspendieren, bloß weil ihm manchmal schlecht ist.«
Almenbroich nickte, er war ihrer Ansicht. Auf der anderen Seite, sagte er, sei Günter für die Kripo im Augenblick nicht tragbar. Er sei zur Gefahr für seine Kollegen geworden. Also werde er ihn zwar nicht suspendieren, wie Anselm Löbinger vorgeschlagen habe, ihn aber nachhaltig bitten, sich krankschreiben zu lassen. »Wie damals bei Ihnen.« Er legte die Fingerspitzen aneinander. Aus dem Dreieck wurde ein Kreis, aus dem Kreis ein Dreieck. Wie vertraut ihr diese Bewegungen mittlerweile waren. Jetzt wusste sie, was sie verbergen und suggerieren wollten – äußere Entschlossenheit, innere Unsicherheit.
Sie hob den Blick. »Sie haben mich nicht gebeten, Sie haben mich gezwungen.«
»Da haben Sie Recht.« Er lächelte sanft. »Manchmal helfen undemokratische Methoden am besten.«
»Dann ›bitten‹ Sie Günter, zu einem Psychologen zu gehen.«
»Ich sehe, wir haben dieselbe Vermutung. Ohne dass ich Ihnen zu nahe treten will: Können Sie einen empfehlen?«
»Katrin Rein. Zumindest für die ersten Gespräche.«
»Die Dozentin der Akademie?« Almenbroich nickte.
»Jung, hübsch, ein bisschen impulsiv, aber mit Leib und Seele dabei.«
»Mit Seele würde erst mal reichen.«
Sie lachten. Louise nahm vier Halbliterflaschen Evian aus der Umhängetasche und platzierte sie in einer Reihe auf ihrem neuen Schreibtisch. Sie bot Almenbroich eine an, zeigte ihm, wie der Sportlerverschluss zu öffnen war.
Er trank wie ein Verdurstender.
»Ich muss gleich in die Besprechung«, sagte sie.
Almenbroich schüttelte den Kopf. Die Soko-Besprechung war auf zehn verlegt worden – aus Stuttgart kamen Kripoleute in die südbadische Provinz. Staatsschützer. Er zuckte die Achseln.
Neonazis in Freiburg und der Region? Wenig wahrscheinlich.
Die saßen woanders.
»Das bringt uns zu unserer anderen Spur«, sagte er.
Aus der anderen, der neonazistischen Spur war spätestens seit gestern Abend eine kroatisch-neonazistische geworden. Am vergangenen Nachmittag und Abend hatte Almenbroich wieder Anrufe bekommen: »Die Freunde« von LKA und BND sowie eine Mitarbeiterin des Staatssekretärs. Die Mitarbeiterin hatte sich nach dem Stand der Ermittlungen erkundigt und umfassende Unterstützung im Kampf gegen die Neonazis versprochen, selbst wenn sie aus Baden-Württemberg stammten
…
»Selbst wenn? «
»Wir haben es jetzt mit Politik zu tun, Louise. Vergessen Sie das nicht.« Almenbroichs
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