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Boys Dont Cry

Boys Dont Cry

Titel: Boys Dont Cry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malorie Blackman
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Überrascht und ein wenig angeekelt stellte ich fest, dass es Emma hervorragend schmeckte. Ich gab ihr den Löffel in die Hand, damit sie selber essen konnte, aber dabei landete mehr auf dem Hochstuhl und auf mir als in ihrem Mund, also übernahm ich das Füttern wieder. Anschließend erklärte mir Dad, wie ich sie baden und ins Bett bringen sollte, und sah mir dabei zu. Das Baden war anstrengend – und nervenaufreibend. Emma planschte so, dass ich genauso nass wurde wie sie. Und ich durfte sie keine Sekunde aus den Augen lassen. Ich malte mir aus, wie sie unter Wasser rutschte, wenn ich auch nur einmal zu lang blinzelte. Als sie schließlich ihren Schlafanzug anhatte und in ihrem Bettchen lag, war ich fix und fertig. Es war nicht nur die körperliche Anstrengung, das Füttern und Baden und Wickeln und sie dazu zu bringen, liegen zu bleiben und zu schlafen. Es war eine geistige Erschöpfung, weil ich jede einzelne Sekunde aufpassen und voll konzentriert sein musste.
    Und so was taten sich Leute freiwillig an?
    Am anstrengendsten war es, sie zum Schlafen zu bringen. Jedes Mal, wenn ich sie hinlegte, zog sie sich wieder hoch und stellte sich in ihrem Bettchen hin, indem sie sich am Gitter festhielt. Nachdem sie das drei- oder viermal bewerkstelligt hatte, begann sie zu weinen. Schon wieder.
    »Sie ist in einem Zimmer, das sie nicht kennt, und dich ist sie auch noch nicht gewohnt«, sagte Dad von der Tür meines Zimmers aus.
    »Und was soll ich tun?«
    »Nimm sie auf den Schoß und lies oder sing ihr vor, so was in der Art«, riet Dad.
    »Singen?«
    Dad lächelte. »Das habe ich bei euch gemacht.«
    »Wirklich?«, fragte ich entgeistert.
    »Ja.« Dad trat von einem Fuß auf den anderen und sah zu Boden, als bereute er sein Geständnis.
    »Aber du singst fürchterlich.«
    Dad sah mich an, eine Augenbraue erhoben. »Schien dich nicht zu stören, als du ein Baby warst.«
    »Bloß, weil ich mich nicht wehren konnte und nichts Besseres kannte«, gab ich zurück.
    »Stimmt!« Dad lächelte. »Ich an deiner Stelle würde die Zeit, wo Emma noch so klein ist, genießen. Es wird nämlich nicht lange dauern, dann bist du für sie nur noch ein tatteriger alter Knacker, der keine Ahnung von nichts hat – wenn sie dich überhaupt noch eines Blickes würdigt.«
    Dads Worte blieben im Raum hängen.
    »Behandle ich dich etwa so?«
    »Meistens schon«, sagte Dad. »Aber so ist das eben, wenn die Kinder größer werden. Wenigstens Adam glaubt immer noch, dass in dem alten Hund noch ein wenig Leben steckt.«
    Dad und ich sahen einander an.
    Ich wandte mich als Erster ab. »Ich werde ihr vorlesen. Ich glaube, sie ist schon aufgelöst genug, auch ohne mein Gesinge ertragen zu müssen.«
    Ich nahm sie hoch, ging zu meinem Bett und setzte mich hin. Emma platzierte ich vorsichtig auf meinem Schoß, mit dem Rücken an meiner Brust. Dann beugte ich mich etwas vor, nahm eines der Bücher mit Gutenachtgeschichten vom Fußende meines Bettes, hielt das Buch vor uns beide und öffnete es. Aber ich fühlte mich total unwohl.
    »Wenn du sie an deinen Arm lehnen lässt, habt ihr es beide bequemer und sie schläft wahrscheinlich schneller ein«, empfahl Dad.
    Und ich muss zugeben, so ging es viel besser. Ich las das Bilderbuch zweimal von vorn bis hinten und erklärte dabei die Bilder, bis Emma endlich einschlief. Dann bewegte ich mich wie eine arthritisgeplagte Schildkröte mit ihr zu ihrem Bettchen. Gleichzeitig betete ich die ganze Zeit, sie möge nicht wieder aufwachen. Es gelang mir tatsächlich, sie hinzulegen, ohne sie zu wecken, indem ich ihren Kopf so hielt, wie Dad es mir gezeigt hatte.
    Der Tag war endlich vorbei.
    Die Angst blieb.
    Als das Haus still und dunkel dalag und alle fest schliefen, ging ich nach unten und schaltete unseren Rechner ein. Das Licht des Monitors hüllte mich ein. Eine Internetadresse eintippen, ein paar Tasten drücken und ein paar Mausklicks, schon war ich auf der gewünschten Seite. Für eine halbe Ewigkeit saß ich bloß da und starrte auf den Bildschirm. Verdammt, ich musste es tun. Ich konnte meine Zukunft nicht sausen lassen. Das ging einfach nicht. Ich schickte die Bestätigung, dass ich meinen Studienplatz annahm.
    Jetzt musste ich nur noch dafür sorgen, dass ich das Studium wirklich antreten konnte.
    Nachdem ich den Computer ausgeschaltet hatte, ging ich auf Zehenspitzen nach oben und in mein Zimmer, wo ich ins Bett fiel.
    Als mich schließlich der Schlaf übermannte, schloss ich die Augen und dachte:

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