Braeutigame
verstand, was es hieß, wie unwiderruflich der Abschied sein würde, fing seine Oberlippe zu zittern an, als würde er Fieber oder einen Anfall bekommen. Freier sah in der Morgenluft den Atem vor Georgs Mund. Er atmete schnell.
„Nu n mach es uns nicht noc h schwerer, Junge“, sagte er. „E s ist, wie es ist. Hier, nimm das Seil , bind e das Kleine an den Wagen.“
Georg schnaufte und bewegte sich nicht. Er starrte zu Mischka, der reglos am Tor stand und sie beobachtete.
Freier schlug Georg leicht mit den Fingerknöcheln auf die Wange. „Wach auf , Georg – trödel nicht rum “, sagte er.
Georg sah ihn an. Er nickte.
„Jetzt ist keine Zeit, rumzustehen und zu flennen wie ein Mädchen. Pack mit an – hier, leg die T aschen hinten unter die Plane… s o, dass nichts rutschen kann. Und beeil dich – die Russen warten nur darauf, dass wir rumzott eln und nicht vom Hof kommen. Hast du nicht gemerkt, wie die jeden alten Maulesel ansehen, als würden sie ihn am liebsten auf der Stelle schlachten und am Spieß braten ? Nu n halt die Tiere ruhig. Ich geh e noch einmal durchs Haus, und dann fahren wir. Heinrich, komm du mit mir mit , dass wir nichts vergessen.“
Georg nahm die Zügel der Pferde und sah auf den Boden. Er zwang sich, nicht zu Mischka hinzusehen.
„Da ist nichts mehr“, sagte Freier, als er nach wenigen Minuten mit Heinrich aus der Sommerküche zurückkam und zum Gespann ging. „Nur noch die al ten Möbel und Kleider… solle n sie glücklich werden da mit.“ Er stieg auf den Bock. „Jetzt komm, Georg, es ist Zeit. Hier, z wischen mich und Heinrich. W as das regnen muss wie bei der Sintflut an so einem Tag! Du meine Güte …“
Georg und Heinrich setzten sich neben ihn auf den Bock. Fr eier löste die Zügel vom Knauf.
„Los, ihr zwei“, sagte er leise zu den Pferden. „Heiio!! Nu n lauft mal schön, ihr! Legt euch in die Riemen… He y!!“
Der Wagen setzte sich in Bewegung und wendete. Sie fuhren langsam an den Popschakörben vorüber, am Eiskeller, am Haus, am Vorgarten. Der Regen prasselte auf die Lederplane des Wagens. Am Tor trafen Georgs A ugen auf Mischka, und er fing zu schnief en an.
„Ruh e sollst du geben “, zischte Freier. „Halt die Gosch e , Georg. Heulen kannst du gleich , so viel du willst. Aber erst wenn wir oben auf dem Hügel sind, raus aus dem Ort.“
Er winkte Mischka zu. „Gott befohlen, Mischka“, rief er. „Pass auf dich auf, mein Junge.“
Freier schnalzte mit der Zunge. Die Tiere zogen an und bogen auf den Breiten Weg ein.
Der Regen schlug so laut auf die gespannte Wagenplane hinter seinem Kopf, dass Georg, der nach vorne auf den Weg sah, den Schuss kaum hörte. Es klang wie das Öffnen eines Weckglases mit eingemachten Gurken . Er drehte sich auf dem Bock um und sah unter der offenen Plane durch den Wagen hindurch zum Ho f. Das Fohlen lag auf der Seite im St raßenmatsch und zuckte am Seil mit den Vorderbeinen . Eine der Stuten, die Mutter, versuchte sich aufzubäumen. Aus den Augenwinkeln sah Georg, wie Mischka zu i hnen lief und mit einem kräftigen Messerschnitt das Seil durchtrennte , an dem das verletzte Fohlen hinten am Wagen hing und mitgeschleift wurde. Er wollte zu ihnen vorlaufen, um die Maultiere zu halten, als ein zweiter Schuss fiel. Georg sah Mischka vornüber stürzen.
„Vater !“, schrie Georg. „Mischka liegt da!“
Die Pferde, aufgeschreckt von den Schüssen, wieherten und liefen los. Freier versuchte, die Zügel straff zu halten, riss ihnen Lippen und Zungen wund, aber er konnte sie kaum bändigen. „Festhalten, Kinder!“, rief er.
Georg wollte über Heinrichs Beine klettern und vom Bock springen, um zu Mischka und dem Fohlen zu laufen .
Freier griff seinen Sohn am Handgelenk. „Rühr dich nicht“, zischte er. „Keinen Mucks!“ Freier starrte geradeaus und hielt die Tiere so gut es ging auf dem Weg zum Ring.
„Halt an !“, rief Georg. Er versuchte, seinen Arm aus dem unnachgiebigen Griff seines Vaters zu lösen. „Die haben auf Mischka geschossen. Du s iehst doch, was is t . Nu n halt an!“
„Halt deinen Mund! Noch ein Wort, und es setzt was.“
„Vater – Mischka liegt … ! “ Freier holte mit der rechten Hand aus und schlug ihm mit dem Handrücken hart ins Gesicht. Er hatte auf den Mund gezielt, traf aber Nase und Oberlippe. Er hörte ein Knirschen und Brechen. Georg begann sofort zu bluten.
„Ruh e gib!“, flüsterte Freier.
Georg blutete auf seine Hände, mit denen er sich die Nase hielt, und
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