Braeutigame
atmete laut. Blut tropfte auf seine Jacke, auf Schal und Hemd. Hinter dem Wagen sah er eine dunkle Gestalt im Regen auf den stöhnenden Mischka zulaufen. Der Mann drehte ihn auf den Rücken, fischte in seinen Taschen, sah kurz zu ihnen hin und lief davon, das lange Ende der Kälber Drift hinunter, zum Kogälnik.
Heinrich legte seine Hand auf Georgs Bein. Er wusste selbst nicht, ob er ihn damit festhalten oder trösten wollte. Es schien einfach das Richtige zu sein.
Als sie den Wasserturm passiert und die letzten Häuser des Dorfs hinter sich gelassen hatt en, hielt Freier auf dem Hügel an, gab Heinrich die Zügel und kletterte vom Bock. Der heftige Regen hatte nachgelassen, nur einzelne Tropfen fielen noch, warfen Ringe in die braunen Pfützen auf dem Weg. Mehrere Wagen, mit denen sie den Treck bilden würden, kamen langsam auf sie zu, die Gesichter der Männer blass, ernst.
In der Ortsmitte, dr ei Werst entfernt, sah Freier im Regen schwarzen Rauch aufsteigen wie von brennendem Öl . Ein Panzer stand auf dem grün en Hang, der hinter der Kirche zum Bahndamm sanft abfiel. Es war ungefähr die Stelle, wo Marga seit acht Jahren lag. Er musste an einen Satz von Pomreinke denken: dass nicht die Lebenden die Toten bewein en sollten, sondern umgekehrt – dass die Toten aus ihren Gräbern mit Mitleid auf die Welt blickten. Wie wahr, dachte er. H atte ihr alter Prediger einmal r echt gehabt.
Aus dem Geschütz, das auf die hohen, hinteren Fenster der Kirche zeigte , sah er eine Stichflamme leck en. Er begann in Gedanken, die Sekunden zu zählen.
Bei neun hörte er die dumpfe Explosion.
„Schaut mal hier, Vater “, sagte Heinrich. Er war ebenfalls vom Wagen gesprungen, um ein Tuch für Georgs Nase zu suchen.
Freier drehte sich um. „Was?“
„Da. Seht I hr das?“
Freier ging an den Weg rand, wo er ein geschwungenes, glattes Stück Holz im flachen, mit trübem Wasser gefüllten Straßengraben liegen sah. „Sehen tu ich’s…“
„Was meint Ihr, was das ist?“, fragte Heinrich.
„Sieht nicht aus wie ein Baumstumpf. Ein Kolben oder was…? Ein Gewehrkolben vielleicht, g latt wie es ist.“
Es war die Fuß prothese vom alten Trautmann. Vom Lehmkuhlen-Müller selbst fehlt e jede Spur .
„Da sind meine Tauben“, stammelte Georg . „Seht ihr sie?“
„Wo?“, fragte Heinrich.
„Über dem Ring. Die im Kreis fliegen. Dabei regnet es... “
„Sei froh“, sagte Freier. „Solange sie fliegen, frisst sie der Russ e nicht.“
Als sie in Galatz eintrafen, verstauten sie ihre Kisten und Säcke auf d em Donaukahn, der sie nach Wien bringen sollte. Freier fuhr den Wagen zur Kommission, die am Flusskai ein Kontor mit Ställen für einige hundert Tiere eingerichtet hatte. Mit der Quittung in der Hand striegelte er die Pferde ein letztes Mal und hing die Bürste an einen Haken in der Wand.
Georg blie b auf dem Schiff und zitterte; e r hatte Fieber. Sein Nasenrücken hatte sich grün und schwarz verfärbt, die Oberlippe brach immer wieder auf und blutete . Er musste durch den Mund atmen, um Luft zu bekommen. Alle drei wussten, dass seine Nase gebrochen war, doch keiner sprach es aus. Freier und Heinrich tupften Georgs Gesicht alle zwei Stunden mit Schnaps ab. Mehr konnten sie nicht tun. Es würde von alleine wieder zusammenwachsen, was zusammengehörte.
Kapitel 12 : Ein Gutes
Daniel Freier horchte auf die Geräusche der Nacht, er konnte nicht wieder einschlafen. Er sah im Dunkeln auf seine Armbanduhr, aber das Ziffernblatt war unlesbar. Vier, halb fünf mü sste es sein, dachte er. Um sechs würden sie klingeln, und die Männer würden alle gleichzeitig aufstehen und zum Pinkeln auf die Latrinen gehen und an die Waschbecken zum Rasieren und Wasch en, wo es Gedrängel geben würde wie an jedem Morgen.
Sie schliefen wie arme Leute, im Mief, auf vier Pritschen übereinander, die ein wackelndes Metallgestell zusammenhielt, in einem Saal, der vor dem Krieg eine Brauereihalle gewesen war und immer noch nach Hopfen roch. Ein Sudkessel aus stumpf gewordenem Kupfer, groß wie ein Erntewagen , füllte eine Ecke. Freiers Matratze lag unter Lobgotts, darüber schlief Jakob, ganz oben Arthur. Georg und Heinrich waren am Eingang untergebracht, wo auch Prudöhl, der junge Trautmann und Pleskow s lagen. Freier hatte Georg und seinen Schwiegersohn bei sich haben wollen, aber niemand war darauf eingegangen. Was er denn wollte, hatten die Männer von der VoMi gesagt, sie wären doch alle in einem Zimmer. Extra-Würste
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