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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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müssen, weil die Maschin e so schwer war, das s sie sie nicht tragen konnte. S ie sitzt hier wie versteinert vor dem Haus auf einem Stuhl. Sitzt nur da und zeigt keine Regung. Auch nicht, wenn Opa Giese ihr ein Liedchen auf seiner Fidel vorspielt.
    W ir sind schon alle Deutsche. Es gibt hier eine Kommissi on – die Fliegende K ommission, heißt sie, weil sie so flott zugange ist. Die fährt von Lager zu Lager und geht von Haus zu Haus, um die Leipziger und alle anderen im Schnelldurchgang zu richtigen Deutschen z u machen. Gestern kam sie in unser Haus, lauter junge, schneidige Männer. Einen Pass haben wir noch nicht, aber einen Schein, wo wir alle eingetragen sind, für die ganze Familie. Ich stehe oben, weil ich die Älteste bin und Oma Mathilde nicht mehr kann.
    Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber Irma Schilling hat gesagt, die Erde hat in Kischinjew gebebt. Jetzt a m 10. soll es gewesen sein. In ein er Zeitung hier stand ein Bericht. Es soll vieles zerstört sein, die schönen Häuser, die Kirchen. Sogar in Bukarest soll die Erde gebebt haben. Ich hoffe, es war nicht schlimm i n Leipzig? Es ist ja nicht in der Nähe.
    Wir denken alle an Euch und beten, dass wir bald wieder vereint sind. Ich bete jeden Abend für Euch, lieber Vater, lieber Heinrich. Gott behüte Euch, und Georg, und unseren guten Mischka. Alle senden ihre lieben Grüße – Minna, Oma, Jakob, Arthur und Lilli. Auch Hedwig und Irma Schilling und alle, die Euch kennen.
    Wir denken immer an Euch.
     
    Alma
     

Kurz vor Heiligabend verließe n die letzten Männer Leipzig in einem Treck . Daniel Freier, Georg und Heinrich umarmten Mischka an der Hofeinfahrt , wo der Planwagen abfahrbereit stand. Sie hatten gemeinsam zw ei braune Maultierstuten im Winterfell eingespannt . Ein Füllen stand müde neben seiner Mutter und ließ den Kopf hängen. Die Pferde warfen unruhig ihre Köpfe hin und her und zerrten am Zaumzeug.
    D er Wagen war bepackt mit Möbeln und einer Kiste mit Karakul- und Hamsterfellen, Landregistereintra gungen und Kontorbüchern ; zwei Gewehren mit Munition; kleinen und großen Messern, am Schleifstein geschärft ; dem besten Beil; W asserbeuteln; kaltem Proviant; Decken; Feuerholz. Sie hatten, sofern alles gut ging, drei Reisetage vor sich, bis sie Galatz im Süden erreichen würden, noch auf bessarabischem Gebiet, seit dem Einmarsch der Roten Armee aber wieder Grenzstadt nach Rumänien. Es wäre ein kleines Wunder, wenn alles gutgehen würde , dachte Freier .
    Von A lma und seiner Schwiegermutter hatte er seit Anfang Dezember keine Nachricht erhalten. Er machte sich Sorgen. Heinrich hatte von Russen gehört, die betrunken durch die Dörfer der Bulgaren und Moldowaner zogen, Häuser in Brand steckten und Frauen und Mädchen das Leben schwer machten. Tote sollte es gegeben haben, hieß es – viele. Aber Freier sagte s ich, dass er auf Gerüchte nichts geben durfte, es half nicht , sich verrückt zu machen , und den Schlaf verdarb man sich . Nur prahlen durfte man nicht mit seinem Hab und Gut, dann kam keiner in Versuchung, dann passierte nichts. Margas Kette, die er im Sommer 1932 in Kischinjew gekauft hatte, ihr aber nicht mehr hatte schenken können, hängte er sich selbst um den Hals. Er wusste keinen besseren Ort. Nach Gold und Bernstein würde dort sicher niemand suchen.
    Mischka stand im strömenden Regen an der Hofausfahrt zum Breiten W eg. Seine Haare hingen ihm tropfend ins Gesicht . Er trug keinen Hut. Mischka hatte in den verg angenen Wochen kaum gegessen, war dünn geworden und blass. Er sah aus, als hätte er nur wenige Stunden geschlafen, dachte Freier, aber wer von ihnen hätte schon Ruhe gefunden in solchen Nächten, ihren letzten in Leipzig? Aus dem Regen sollte Mischka gehen, rief er, er würde sich die Grippe und den Tod holen. Dann schob er den Gedanken beiseite. Es war nicht mehr an ihm. Er war nicht mehr verantwortlich für seinen Knecht. Er war , sobald sie sich auf den Weg machten, nur noch ein Umgesiedelter.
    Obwohl Freier, Georg und Heinrich Regenmäntel trugen, waren sie durchnässt . Von den Rändern ihrer Hüte fielen Tropfen, die s ich kurz zu dünnen Fäden vereinigt en und dann wieder einzeln auf den Boden sprangen . Ihre Stiefel schmatzten , wenn sie in langen Schritten durch de n aufgeweichten Hof gingen.
    Georg wurde weinerlich, als er Mischka auf dem Breiten Weg stehen sah . Freier hatte ihm schon vor Wochen gesagt, dass Mischka nicht mit ihnen kommen würde. Doch als s ein Sohn ihn bemerkte, und er

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