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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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vom Laufen außer Atem, Alma konnte es hören, durch das Loch im Kopf, zwischen Nase und Mund, schnappte Minna nach Luft. Minna nehmen, dachte Alma, u nd wohin wohin? O Gott lieber G ott hilf… hilf! Der Hund. Wo kam dieser Hund jetzt – ach, da lief er schon wieder weg, dem Russen entgegen – was für ein Dummkopf , das Tier. Sie sah, wie ein Soldat eine der Frauen aus ihrem Lager – Käthe Buertenus hieß sie, sie meckerte immer nur, über alles, fast so alt wie die Mutter war sie –, Käthe Buertenus schlug einer mit einem Gewehrkolben das Gesicht ein. Alma hörte die Nase und Knochen brechen und splittern, es knirschte laut, und alles blutete, die Nase, die Augen, die Wangen, die Lippen, und Gott sei Dank schrie Frau Buertenus nicht, sie sagte gar nichts, sie musste beim ersten Stoß das Bewusstsein verloren haben, wie Kreid sah es aus, wie frisch gekochtes Träublekreid, rot und schmierig und klebrig.
    Weiter hinten lag Irma Schilling, die hatte ein Gesicht schwarz wie ein Mohr, aber Alma erkannte sie an ihrem Rock und an ihrer Stimme, denn sie schrie – sie schrie aus vollem Hals, und ihre Zunge sah in ihrem dunklen Gesicht zart aus und rosa. Schuhcreme aus Schweinefett und Asche hatte sie sich gemischt für diesen Moment, aber die Schuhcreme half ihr nicht, im Gegenteil, sie sah hässlich und schmutzig aus, aber nun sahen die Soldaten nicht, dass si ch hinter dem schwarzen Dreck ein altes Weib versteckte, das seit mehr als zwanzig Jahren mit keinem Mann zu schaffen gehabt hatte, eine Hebamme war sie, zuständig nur für die Unterleiber der anderen Frauen, nicht mehr für ihren eigenen, und sie machten sich über sie her. Sie lag mitten auf dem Weg, die alte Frau… erst dachte Alma, sie wäre in der Eile gestürzt, aber nein, sie lag ja auf dem Rücken, man stürzt e nicht auf den Rücken – Hilfe, jetzt sah sie, was mit ihr war, sie starrte… sie starrte in den Himmel aus ihrem schwarzen Gesicht, sie ließ sie machen, sie rührte sich nicht, wehrte sich nicht – u nd jetzt konnte sie nicht mehr starren, denn einer von ihnen hatte ihr die schmutzigen Röcke über den Kopf gezogen und drückte ihr den Wust ins Gesicht, auf die Nase. Jetzt nahm er ihren Kopf zwischen seine Knie und setzte sich auf ihr Gesicht, während ein anderer zwischen ihren Beinen zugange war und grunzte, und ihre weißen Beine zuckten, und Soldaten standen daneben und sahen zu, zwei oder drei machten die Hosen auf, und sie lachten und warteten, bis sie an die Reihe kamen. Irma Schillings Arme schlugen – hoch und runter, sie schlugen auf den Boden, es erinnerte Alma an die Schleien, die sie aus dem Kogälnik gezogen und ans Flussufer geworfen hatten.
    Eine andere Frau, die sie nur flüchtig kannte – vier Kinder hatte sie und zwei davon auf der Flucht verloren – stieß einem Russen ein Messer in den Bauch, rein und raus und rein und raus stieß sie, zweimal, irr sah sie aus im Gesicht. Der rissen sie das Kleid vom Leib und schnitten ihr die eine Brust halb ab, bevor sie sie vergewaltigten, und als sie fertig waren mit ihrer Lust, war sie tot. Der Körper lag auf der Seite, grau und rot , fast nackt, und Alma hörte eine ihrer Töc hter heulen, fünf oder sechs , aber sie konnte nicht sehen, wo sie schrie.
    Sie lief mit Minna in die Scheune, gestapelte Strohballen, links an der Wand mit Luzerne gefüllte Säcke, rechts Feldsteine groß wie Köpfe, ein Schaf, angebunden an einen Holzpfeiler, das blöd guck te, und sie schubste Minna vorwärts ins Stroh, wo sie sich zudecken und verstecken sollte, und sie selbst wollte gerade springen und eintauchen, als Arme sie ergriffen und nicht mehr losließen, und sie zappelte , wollte vorwärts laufen kriechen fliehen, nur weg, aber sie wurde nach hinten gezogen, und sie spürte, wie ihr links ein Stück der Kopfhaut abriss und sie auf den Rücken fiel, ihr Hinterkopf schlug hart auf, brannte wie Feuer, und ihr wurde schwarz vor Augen, aber nur kurz, dann sah sie die Männer wieder, es waren viele, mehr als sie zählen konnte, zwanzig oder dreißig, in Uniform, die meisten mit Bärten oder hässlichen, harten Stoppeln im Gesicht und mit Waffen in den Händen oder auf dem Rücken. Sie waren laut und schrien, ei n paar mochten russisch sein, aber ein paar sahen aus wie… – Chinesen, dach te sie, oder Mongolen oder – Gott , was wusste sie, Tadschiken oder Kirgisen, irgendein asiatisches Volk. Im Lager an der Oder hatten sie sie Kanonenfutter genannt – die Dumpfen aus dem Osten, die

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