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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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Karten für die Feldpost an, nur frage ich mich, was sie dann mit der Post machen? Alles ist in Bewegung hier, die Menschen, ganze Orte. Aber ich möchte dennoch schreiben, für Dich – an Dich – natürlich, mein Mann, aber im gleichen Maße auch für mich. Es hilft mir, diese Viertelstunde, in der ich meine Gedanken aufschreiben und in Ordnung bringen kann, so kommt es mir vor, es ist eine Zeit der Ruhe, wie früher der Gottesdienst.
    Was soll nur werden? Es ist wieder kalt geworden – wie lange es so schon geht, kann ich nicht sagen. Den ganzen, langen Winter hindurch Frost und Schnee. Wir sind alle durch die Mangel genommen, wg. der Kälte, und es gibt hier zu essen, aber es ist eine Last für uns, immer suchen, und betteln. Es gibt niemand gern in diesen Zeiten, und weiß Gott haben die meisten nichts, was sie geben könnten. Nur d ie Bauern haben volle Keller und Scheunen. Sie schachern um jede faulige Kartoffel und um jedes Glas Eingemachtes , egal wie alt, sie wollen Geld und Schmuck und Teppiche dafür . Aber wer schachern will, muss erst einmal etwas haben, und wir und die meisten anderen haben nichts mehr als unsere Haut und unsere Bündel. Es ist schlimm, Heinrich . Auch das von deiner Familie mütterlicherseits, es ist alles verbraucht . Ich hoffe, die Wehrmacht versorgt ihre Männer anständig. Dass ihr es warm habt und noch zu essen. Ich kriege solche Angst, wenn sie Diebe an die Bäume und die Straßenlaternen hängen. Wegen eines Stückchens trocke n Brot oder einer halben Wurst wird nun manch einer aufgehängt oder vor eine Wand gestellt und erschossen. Wegen Mundraubs, sagen die Schulzen, da wird nicht viel gefragt, sondern geschossen. – Man kann es ihnen aber doch nicht verdenken. Was soll der Mensch tun, wenn er nichts zu essen hat, und es nicht genug gibt für alle!? Weiß Gott, ich bin auch in Versuchung. Und ich bete, dass Arthur und Lilli keine Dummheiten begehen.
    Wir sind jetzt in Golchow und noch immer zusammen: Minna, Lilli, Arthur und ich. Es ist von hier nicht weit bis nach Cottbus (in Brandenburg) und in den Spreewald. Ich mache mir große Sorgen um Jakob. Er ist vorgestern weggegangen nach Cottbus, nur mit s ein em Ranzen , ohne etwas zu sagen, und wir haben seitdem nichts von ihm gehört. Auch von Vate r nicht und von Lobgott und Dr. Prudöhl. Ich bete, dass sie wohl behalten nach Breslau und ins Nied erschlesische gekommen sind. Sie halten dort aus, sagen sie, Breslau ist die Festung des Reichs. Die Russen ziehen wohl an Schlesien vorbei. Nach Berlin wollen sie, sagt man.
    Die beiden Frauen, von denen ich Dir schon geschrieben hatte, hätte ich fast vergessen – unsere liebe Irma Schilling und ihre Freundin Hilde Glück. S ie sind immer noch mit uns zusammen. Es ist eine Hilfe, sie zu haben. Sie sind viel älter und erfahrener als wir Jüngeren. Es tut mir gut , und ich glaube , Minna und Lilli auch. Arthur hat starken Husten bekommen. Alles rasselt in seiner Brust, er kommt mir heiß und fiebrig vor, und wir geben ihm alles, was wir an Medizin und Kräutern finden können. (Ich habe noch Chinin von Dr. Prudöhl, aber ich geize sehr damit & nehme nur das Nötigste.) Hildchen Glück hat ihm einen Sud aus Brennnesseln und Kamillen gemacht. Damit ging es ihm besser. Aber er ist fröhlich – fröhlicher als wir anderen. Woher er es nimmt, weiß ich nicht. Auch Lilli weint nicht, sondern träg t alles mit Fassung. Sie ist achtzehn Jahre und hübscher denn je mit ihren langen , blonden Zöpfen.
    Wir haben unser Lager seit drei Tagen bei Golchow aufgeschlagen. Es gibt hier recht gut zu essen, Kartoffeln, Rüben und Kohl und anderes Gemüse, das sie verteilen, auch wenn es nie genug ist für alle und es eine Ewig keit her ist, dass wir uns satt gegessen hab en. Ich weiß nicht mehr, wann e s war. Vielleicht ein oder zwei Mal im Wartheland, selbst wenn es dort kein Paradies war auf dem Polenhof. Doch wenn ich daran denke: Um wie viel besser war es als das, was wir nun erleb en? Und wenn ich an unser Leipzig denke, an die alte Heimat… – Wie gut ging es uns in jener Zeit, obgleich wir es alle nicht zu schätzen wussten.
    Hier in Golchow steht ein Herrenhaus, ein Schloss mit gelbem Gemäuer, einem grünen Kupfertürmchen und einer Glocke , das die Partei zu einem Hospital für verwundete Soldaten aus dem Osten umgebaut hat. Ich b in gleich hin, um nach Dir zu suc hen. Es ist ein schrecklicher Ort mit all den Kranken und Versehrten & es stinkt entsetzlich. Ich glaube, wir stinken

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