Braeutigame
Roten Armee ge hört hatt en.
Bloß nicht wehren, hieß es, machen lassen.
D ie Haare immer fest gebunden trag en, damit sie sie nicht ausreißen konnten.
Immer ein bisschen Schnap s dabei haben für die Risse – nichts besser als Schnaps für die Wunden, für die am Leib, für die an der Seele und fürs Vergessen. Mit ein bisschen Glück tötete der Schnaps auch die Furcht; die Furcht davor, die noch schlimmere danach, wenn das Warten begann, das Zählen der Tage, das Hoffen, das einem nichts kam, nur Blut, keine Frucht, dass nichts sichtbar sein würde für andere .
Der Russe der Russe der Russe alle schrien und ließen fallen, was sie in der Hand hatten, und griffen nach den Kindern, und Alma rief nach Arthur, und wer mehrere Kinder hatte, griff sich zwei, die beiden jüngsten, die anderen mussten mitlaufen, selbst laufen, sehen, wo sie blieben, laufen um ihr Leben, in Löcher kriechen – in die Erde – ach, unter die Erde am besten, in eine Grube, versinken, nur sich zudecken und nichts mehr spüren –, in die Sträucher, in den Kirschgarten, alle liefen, die Maultiere und Pferde zerrten an ihrem Zaumzeug, sie wollten auch weg, verdrehten Augen und Ohren und wieherten laut, nur laufen, wohin laufen… – wohin laufen… – sie waren doch am Laufen gewesen, so lange schon, immer nur laufen und wegwegweg , seit mehr als zwei Monat en … Alma sah, wie Frauen sich mit bloßen Händen Matsch ins Gesicht schmierten und in die Haare, und sie wunderte sich nicht, sie spürte nicht einmal den feuchten Dreck aus einer Pfütze auf ihren Fingern, auf den Wangen, auf der Stirn. Verkohlte Korken und s chwarze Schuhschmiere nahm die eine, wie ein Neger sah sie aus, die Augen weiß, der Mund sc hief und offen und rot . Eine andere – es war Hildchen Glück, mit den hohlen, riesigen Augen – griff in einen alten Kuhfladen, der braun und hart am Wegesrand lag, und schmierte sich den Kot unter ihr Kleid auf die Brust und hatte dabei nur Angst im Gesicht, nicht Ekel, aber auch der Kuhdreck im Gesicht und auf dem Busen half vielleicht nicht, wer wusste es…
W o kamen die laufenden Russen alle her, hatte d ie keiner kommen sehen, keiner s ie gewarnt? – nicht schießen, bitte nur nicht schießen, die Hände über… – sah keiner, dass Hildchen eine alte Frau war? – nicht einmal der Dreck schützte sie. Wo sie waren, gab es keinen Wald, keinen Schutz, nur einige Bäume am Gutshof, hinter denen sich ein Kind verstecken konnte, aber keine Mutter, dachte Alma beim Laufen… kaum ein Haus war zu erreichen, nur – was war das…? – eine Holzscheune mit einem eingestürzten Dach und ein paar Mauern, das daneben sah aus wie eine kleine Fabrik – vielleicht eine Gärtnerei oder eine Molkerei – aber die Scheune bot keinen Schutz, sie würden sie womöglich anzünden, wo war der Junge…? Da! – sie kamen, sie kamen, sie wusste, dass sie kamen, gepanzert waren die Wagen, und sie fuhren schnell, laut, rasselnd, hupend, sie hatten es eilig auf der Reise durchs Reich , flogen dahin . Sie sah nach unten, sah ihre nackten, kalten Füße über Sand und Kopfsteine fliegen, nur aus dem W eg, verstecken, wohin? I hr Herz schlug so und schlug und schlug und schlug, als wollte es platzen, noch im Kopf hört e sie es schlagen… und zittern, ihr ganzer Körper zitterte, die Finger, selbst ihren Rücken konnte sie nicht stillhalten. Sie lief, und sie hörte die Panzer hinter sich, die schweren, alles zermalmenden Panzer mit ihren Stahlketten, die Rosie gefressen hatten, die die Erde aufrissen und alles, was lebte, unter sich begruben.
Wer vom Russen eingeholt wurde, ging nach Sibirien, sagten die Frauen, wenn er nicht auf der Stelle totgeschlagen wurde. Alma blieb kurz an einem Zaun stehen und holte Luft, sah den zersplitterten Metallkopf eines Brunnens, die spitzen Kanten, er musste abgeschossen worden sein, dachte sie, der Pumphebel lag verbogen daneben, aber der Gedanke war so schnell gekommen wie verflogen. Sie lief weiter , sie lief, einen Schritt und noch einen, schnell schnell, vor den anderen her, sie sah die anderen gar nicht mehr – dann fiel sie vornüber, auf die Hände, die Ellenbogen, ein Fuß hing fest, sie wusste nicht, was es war, was sie hielt.
„ Minna “, schrie sie, sie verstand nicht, wo ihre Schwester herkam, „komm mit mir mit!“, rief sie, „da in die Scheune rein ! “ Minna hing noch der geflochtene Kranz aus schlaff gewordenen Gänseblümchen i m Haar. Sie sagte nichts, japste nur laut, sie war
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