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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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bekommen. Der Bauch sieht mir danach aus, und sie ist manchmal blass im Gesicht und stützt sich ab. Ich habe aber noch nichts gesagt und sie auch nicht .
    Mit Minna ist es eine and ere Sache. Sie wohnt jetzt allein in einer kleinen Wohnung mit Küche und Toilette in Hamburg- H oheluft in einem Hinterhof . Es ist ein hübsches Haus und sehr bequem, mit einem guten Ofen. S ie ist im ersten Stock, was man hier Beletage nennt, aber sie wohnt natürlich klein, sie ist ja nur eine Person. Sie hat Arbeit in einem Restaurant in der Stadt und ist dort für Vorräte und die Speisekammer zuständig, also sie kauft ein & sieht zu, dass nichts verkommt & gestohlen wird. Es wird wohl auch daran liegen: Minna isst und isst, alles, was sie kr iegen kann, und sie ist schon dick und rundlich geworden, weil sie immer umgeben ist von Speise & es kommt mir vor, als wird es von Monat zu Monat schlimmer mit dem Dicksein. Ja, Heinrich, an einem Speiseschrank kann man vieles festmachen, das lässt Schlüsse zu. Sie raucht auch viel, von morgens bis abends, und sie hat jetzt, wo sie arbeitet und alles zählen und abwiegen muss, einen richtig geizigen Zug bekommen. Wir sollen nicht urteilen. Aber es wäre gut, meine ich, wenn sie endlich einen Mann finden würde. Ich habe die Hoffnung fast aufgegeben, dass e s ihr noch gelingt. Sie ist dreißig Jahre, fast schon eine alte Jungfer, mürrisch und immer rundlicher, und das Loch im Kopf hat sie auch noch, es geht nicht mehr weg & macht es nicht besser. (Und riechen tut sie manchmal streng und muffig, dass ich mich fast schäme, wenn sie bei uns im Haus i st. Was soll Rosina Lemke denk en, die es sicher merkt? Nein, es ist nicht gut, alle ine zu leben, man verkommt zu schnell als einsamer Mensch. Ich habe es noch nicht gewagt, sie darauf anzusprechen. Sie kann so   jä hzornig und verletzend sein.)
    Am vorvergangenen Wochenende war Minna bei uns . W ir haben gemeinsam Borscht mit roter Bete und Lamm gekocht, was hier sehr teures Fleisch ist, und einen Mohnkuchen gebacken. Mohn ist in Westdeutschland neu in den Geschäften. Sie kannten es vor dem Krieg nicht, sagen sie, und viele Frauen wissen nicht einmal, wie man ihn mahlt. Unser guter Mohnkuchen ist für die meisten hier eine merkwürdige Sache, weil sie glauben, dass man ihnen den Geist mit Opium vernebeln wollte , stell Dir vor .
    Es war wunderbar, den ganzen Sonnabend mit Minna in der Küche zu stehen, wie wir es früher gemacht haben als Mädchen. Nur Konrad wollte es nicht schmecken. Er sagte nichts, als wir zusammen aßen mit Minna und dem Kind und einem seiner Kontoristen, den er aus dem Hafen mitgebracht hatte , und dessen junger Frau . Aber als wir am Abend alleine waren, war es schlimm & er redete von Knoblauchfraß & wie es gestunken hätte & er sagte Ausdrücke, die ich selbst nicht einmal kannte, Koreaner und Buschfrauen . Ich habe nichts gesagt, bin aufgestanden und in die Küche gegangen . Er kam auch nicht und hat sich entschuldigt. Rosina hat mich gesehen, und dann hat sie mich in die Arme genommen und wir haben gesprochen. Es war das erste Mal, dass es richtig persönlich war zwischen uns. Es tat mir gut. Rosina erzählte mir ihre Geschichte und ich ihr meine. So saßen wir bis zwei Uhr in der Früh in der Küche. Bei ihnen zuhause gab es auch Borscht, sagt Rosina, im Memelland, wo der Russe nicht w eit war. Das Leben ist nicht großzügig gewesen zu ihr, und der Krieg hat ihr alles genommen . ‚Wenn man einmal so etwas erle bt ha t‘ , hat sie gesagt, ‚dann denkt man, es kommt immer wieder. Man geht um die Ecke, und da packt einen wieder das Elend und schüttelt einen durch, und man fällt und fällt, und die Kraft geht einem verloren, immer wieder. Man muss von da an immer kämpfen.‘
    Gestern kam Rosina am Morgen und brachte mir Tee und einen geflochtenen Weidenkorb ans Bett, mit einer Decke. Es war ein junger Hund darin, und ich war so überrascht und froh, und das Kind und Rosina auch, und wir lachten alle und freuten uns. Es ist ein kleiner Spitz-Welpe, weiß mit großen schwarzen Flecken, zweieinhalb oder drei Monate alt . Wir werden ihn Ph arao nennen. Es klingt etwas garstig – wie der König, der das Volk Israel in Knechtschaft hielt und verfolgte. Aber es war Ro sinas Vorschlag, und sie war voller Begeisterung, so dass ich es ihr nicht ausreden mochte. Er benimmt sich auch selbstherrlich wie ein rich tiger Pharao und hat schon auf ein en guten Ledersessel unten im Empfangszimmer gepinkelt, dass wir ordentlich

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