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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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Kamin.“
    „Nein, warte, Kali“, sagt Alma. „Noch nicht.“
    „Was ist denn?“
    „Ich habe… noch ein Geschenk.“
    „Für mich? Noch eins? Sag mal…“
    „Nein. Ja und nein. Für dich und für die anderen auch.“
    „Wo hast du es versteckt ? Wir haben doch alle Päckchen ausgepackt. .. “
    „Ja, sicher. Es ist kein Päckchen.“ Alma sieht auf ihre Hände. Sie fühlt sich plötzlich, obwohl sie alles durchdacht hat, unsicher.
    „Da bin ich aber gespannt. Ruhe – seid doch mal ruhig, alle! Tante Alma hat noch ein Geschenk. Ein Ge-sche-henk!“
    „Oh, another one“, sagt Egbert aufgeregt. „Ya-hoo.“
    „Für euch alle. Es ist so eine Sache… ja, ich weiß nun überhaupt nicht, wie ich anfangen soll.“
    „Sag’s einfach“, sagt Kali. „W as druckst du auf einmal so rum? Raus damit! Jetzt ist Bescherung.“
    „Also… ich habe mir überlegt, wir sind ja nicht mehr die Jüngsten, meine Geschwister und ich, meine ich, und wir werden auch nicht jünger…“
    Minna sieht von ihrem Kreuzworträtsel auf. „Und was?“
    „Ja, wir werden nicht jünger. Auch du nicht, Minna. Und Georg und Lilli auch nicht. Jakob und Arthur sind ja lange nicht mehr.“
    Alma wagt nicht, sie anzusehen. Sie hat einen Kloß im Hals.
    „Und da… ich habe mir gedacht, wir müssen noch einmal hinfahren.“
    „Wohin fahren?“, fragen Kali und Lilli gleichzeitig.
    „In unsere Heimat. Nach Leipzig. Ich habe mir überlegt… – ja, ich möchte euch einladen . Euch alle, dass wir gemeinsam hin fahren und es uns ansehen. Es geht nun wieder, sagen sie, seit die Mauer weg ist und sie den Osten geöffnet haben. Im Frühling vielleicht, habe ich gedacht. Es ist dann immer besonders schön auf den Hügeln und am Fluss.“
    Stille.
    Tobias kommt aus der Küche zurückgerannt, spürt, dass etwas nicht stimmt, sieht in die Runde. Véronique hat ihren Zeigefinger auf den Lippen.
    „Gott im Himmel, jetzt das noch“, sagt Rosina .
    „Ich brauche einen Schnaps“, sagt Georg zu Herrn Krause. „Bruder , wo ist... – Sie kennen sich doch hier aus in dieser Frauenwirtschaft.“
    „Ja. Ja. Sicher“, sagt Willi Krause.
    „Aber … “, sagt Kali , entsetzt . „Da kann man nicht hinfahren. Wegen Tschernobyl. Da ist alles verseucht.“
    „Blödsinn“, sagt Lilli. „Jetzt, wo die Mauer nicht mehr ist… Da wohnen Leute, Kali. Was meinst du, was mit denen ist? Dass die alle totgegangen sind von den Strahlen ? Dass die drei Arme haben? ”
    “Ach, papperlapapp! Als wüsstest du , wie’s da heute aussieht , Mutti .”
    „What is she saying?“, sagt Heinz. „She wants to go where...? Ha ha ha.”
    „She’s quite a character, good old auntie“, sagt Ernst.
    „Nonsense“, sagt Heinz. „Mai-na Hai-mat is Bläcksbörg.“ Er ist stolz, einen deutschen Satz sagen zu können.
    „Ohne mich“, sagt Minna. „Da ist der Russe. Es ist doch nichts mehr, wie es war.“
    „Liebe Minna…“, sagt Lilli.
    „Ich bin eine schwerkranke Frau. Schwerstkrank.“
    „Also weißt du“, sagt Kali. „Manchmal spinnst du wirklich, Tante Minna. Der eine Fuß, da müssen andere Leute ganz andere Dinge ertragen.“
    „Ich bin sterbenskrank, liebe Nichte“, sagt Minna.
    „Und bequem auch“, sagt Kali, „vielleicht.“
    „Du stirbst doch schon seit dreißig Jahren“, sagt Lilli, schlenkert eine Hand und lacht. „Immer wieder stirbst du . Wenn du so krank bist, dann geh ins Heim. Und wenn du nicht ins Heim gehst, dann kommst du eben mit. Ich find’s herrlich, Alma. Ganz herrlich. Was für ein Abenteuer auf unsere alten Tage – mir schlägt richtig das Her z im Körper!“
    Kali sieht sie von der Seite an.
    „Es muss ja keiner mit, der nicht mit will“, sagt Alma. „Man kann niemanden zwingen.“
    „Oh doch“, sagt Georg . „Da werde ich für s orgen, dass alle antanzen. Pünktlich und in voller Montur, die ganze Mischpoke, meine jedenfalls. Alma, du bist ein... – wunderbar. Ich weiß gar nicht .. . Das ist das schönste .. .“
    „What’s D ad saying?“, stottert Heinz in Ernsts Ohr, „what’s he saying?“ Er hat verstanden , es geht um Geld: d as Erbe.
     
    Kurz nach Neujahr bringt Rosina ihr das Päckchen, per Einschreiben. Alma liest das Begleitschreiben, zweimal, legt es auf ihren Sekretär im Grauen Haus.
    Sie nimmt die Uhr aus der Plastikfolie. Sie erkennt sie gleich, obwohl das Metall rostig ist, die Kette abgerissen, das Zifferblatt dunkelgelb mit braun en Schmutzringen, wo es durchgefault ist. Die Ziffern 4 und 5

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