Braeutigame
geben !“ Sie prustete los. „ Reinhold musst du nu n küssen, hiii! “
„Ausgerechnet“, flüsterte Alma. Sie stand auf, wischte sich die Hände an der Schürze ab und gab Reinhold einen kurzen, trockenen Kuss auf die Wange.
„Bravo!“, rief Attila von oben. „Das war unser erster Feuerstutz, was, Fräun Freier!?“ Er zog einen von oben bis unten orangeroten Kolben hinter seinem breiten Ledergürtel hervor und warf ihn vom Dachbalken aus Minna vor die Füße.
„Und hi er ist gleich noch einer. Dürfte ich das Frau Schwester bitten?“
Minna war aufgesprungen, bevor Attila vom Balken über eine Strebe herabgestiegen war.
„H allo “, rief einer der Jungen von hinten, „da hat’s aber eine eilig. Ich wusste gar nicht, dass die junge Freier so ein Feuer in sich hat für unseren Hunnenkönig …“
Drei oder vier Burschen klatschten, als Minna Attila den Kuss gab.
„Puh“, sagte sie leise, als sie wieder neben Alma mit dem Rücken zur Wand saß. „Der hat wirklich ein kratziges Gesicht mitbekommen.“
Alma kicherte. „Reinhold hat gar keine, hätte ich gemerkt. Der ist nur klug und gebildet, sonst kann der nichts Richtiges. “
Minna grinste. „Musst ihn ja nicht nehmen, n ur weil er dir schöne Augen macht .“
Alma zuckte mit den Schultern.
„Du weiß t ja, was Vater gesagt hat: Herr Trautmann will Reinhold gut verheiraten, wegen der Mühle und dem Land und dem ganzen Geld, d as sie verdient haben.“
Alma sah in die Ecke, in der Heinrich gesessen hatte. Er war weg. Sie hatte ihn nicht aufstehen und gehen sehen.
„ Vielleicht heiratet ja der Vater selbst auch noch mal“, sagte sie.
Minna sah sie an. „Meinst du?“
„Ich weiß nicht. Kann sein.“
„Nicht unser Vater. Der hatte doch Mutter.“
„Ist doch gut möglich, wo die Mutter nicht mehr ist. Er ist alt, aber Lobgott sagt, mit sechsundvierzig kann man noch einmal heiraten. Neulich hat Vater sich mit Boias Dressner und mit Lobgott d a rüber unterhalten, übers Heir aten und Frauen und so. Ich habe e s gehört. Die haben auch Namen genannt.“
„Was für Namen?“
„Von Frauen.
„V on was denn für Frauen?“
„Die der Vater heiraten könnte – stell dich doch nicht so dumm. Hier in Leipzig die. Du weißt doch, wie e s geht mit den Männern. Frauen hier aus de m Dorf und aus Kulm und Anschakrak und aus den anderen Orten auch. Sind ja nicht alle verheiratet. Stirbt immer mal wieder einer weg, auch bei den Männern.“
Minna ließ ihren halb entblätterten Maiskolben in den Schoß sinken. Der Gedanke war ihr noch nie gekommen, dass ihr Vater eine andere Frau heiraten könnte – heiraten wollte – und sich sogar auf Brautschau begeben würde.
„Das geht doch nicht. Die müsst e dann doch bei uns einziehen?“
„Ja und?“
Minna war sprachlos.
„Die Mutter hat schließlich auch da gewohnt. Zieht halt die neue Frau bei uns ein.“
„Aber warum denn? Er könnt e doch einfach so bleiben.“
„Wie einfach so?“
„Ohne Frau, nur für sich. Hatte doch eine, was braucht der eine neue?“
„Ach, Minna, manchmal red e st du wirklich Unsinn . Der Vater kann nicht den Rest seines Lebens allein zuhause sitzen und seine P feife rauchen. Siehst doch, wie es ih m geht seit dem Tod der Mutter . Nich t mal mehr zu Boias Dressner geh t er rüber, um Schach zu spielen wie früher, und reden tut er auch nichts mehr. Nur mit Mi schka noch und sonst kaum ein Wort. Das ist nicht gut, wenn man allein e ist im Leben. Nicht zu früh. Er wird wohl noch eine We ile leben. Schau dir an, wie alt Opa Giese geworden ist.“
„Hmm. Aber er hat doch uns. Sechs Kinder hat er und einen Hof. Und Rosie.“
„Das ist nicht dasselbe.“
„Vielleicht hast du recht“, sa gte Minna. „Aber komisch wäre e s. Wenn jemand Neues ins Haus kommt. Jemand Fremdes. “
„Wir sind doch beide auch nicht mehr so lange beim Vater . Hast du mal d a rüber nachgedacht?“
Minna schüttelte den Kopf.
„Musst du tun. Vielleicht wirst du sogar mal heiraten. O der willst du nicht?“
„Hmm. Weiß ich noch nicht. Wen denn?“
„Sieh dich um – drüben sitzen sie alle, einer schöner wie der andere.“
Minna lachte.
„ Die da? Die Burschen?“
„Was meinst du, warum die hier sind in den frischen Hemden ? Doch nicht wegen dem schönen Mais vom Trautmann.“
„Geh mir ab. Die kommen, weil es was Gutes zu essen gibt und weil es so lustig hier ist m it der Musik und dem Flachsen. Du h ättest Georg hören sollen. Der wollte auch wegen der
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