Braeutigame
der Sommerküche noch Licht.
„Jakob!“, rief Freier, als sie in den Hof ritten und vor der Küche absprangen. „Was machst du hier ganz allein!? Haben deine Schwestern dir nicht gesagt, dass du im Haus bleiben sollst!?“
Jakob sah ihn unsicher an. Er kniete auf dem kalten Boden unterm Schardach neben einem Blecheimer.
„Was machst du hier, Knabe ? – Mischka, nimm mal die Tiere, ich bring e den Jungen zu den Frauen, dass er ins warme Bett kommt, wo er hingehört. – Hast du geg essen? Was treibst du dich im Hof rum? Putzt du den Eimer ?“
Jakob schüttelte den Kopf.
„Wo hast du den her ?“
Der Junge zeigte auf den Balken am Schardach. „Wladi hat ihn ni cht mitgenommen“, sagte er .
„So. Hat er den vergessen? D ann wird er ihn morgen wohl holen. Komm, st eh auf .“ Freier beugte sich über den Eimer, um ihn in die Sommerküche zu stellen.
Er schreckte zurück. Auf dem Boden lagen Schweineaugen, blutig weiß mit hellblauen Iriden, die in alle Richtungen gleichzeiti g zu sehen schienen, an die schmierigen Eimerwände, nach oben, ihm ins Gesicht. „Was… nun…“, stotterte Freier.
„Das sind Wladis Augen“, sagte Jakob. „Acht. Von Rosamund und den Schweinen. “
„Herr Jesus aber auch“, fluchte Freier. „Muss der Russe seine ekligen Schweinsaugen stehen lassen, dass einem Angst und Bange wird… Jakob! S teh auf und geh ins Haus! Jetzt gleich – oder willst du eine Tracht Prügel haben?! Und morgen bringst du ihm die Augen zur Strafe, dass du nicht hören willst. Dass wir dies Zeugs endlich vom Hof bekommen und nicht der Fuchs und der Wolf kommen .“
Fre ier nahm den Henkel und hängte den Eimer wieder an den Balken des Schardachs, wo Rosie ihn nicht erreichen konnte. Er schüttelte angewidert den Kopf und suchte in der Weste, die er unter seiner Filzj acke trug, Zigaretten. „Menschenskind“, sagte er zu sich selbst, als Jako b ins Haus lief un d die Tür zum Altenteil zufiel .
Vor ihm leuchtete der Hof im schwachen Licht der Sommerküche. Der Komm lag umgedreht vor dem Brunnen, auf dem sich eine dünne , durchsichtige Eisschicht gebildet hatte. In der Küche sah er den Fleischwolf auf dem Tisch stehen. Er war sauber; die Mäd chen mussten ihn geputz t haben, als er mit Mischka und Heinrich den Wölfen nachgesetzt war. Der Schnee war vom Schlachten plattgetreten und schmutzig, der Platz zwischen Vordach und Brunnen von Federn, Knochensplittern, Schwartenstücken, Fett und Gedärmen übersät. Nur auf der anderen Hofseite, zwischen Nuschnik und den Popschakörben, lag er noch immer hoch und weiß.
Morgen ist viel zu tun, dachte Freier. Er steckte sich eine Zigarette in den Mund, zündete sie an und sah an sich herunter, auf Weste und Hose, die Stiefel, den Boden. Überall klebte getrocknetes, braun gewordenes Bl ut. Im Schnee leuchtete es rot.
Kapitel 9 : Auf der Kanonenkugel
Alma öff nete die Augen. Sie hörte im Haus eine Tür schlagen und ihren Vater fluchen. Sie hielt ihre Hände im lauwarmen Seifenwasser still und lauschte. Es war früh am Morgen, vor sieben, ein Sonntag Anfang Juli. Sie hatten noch nichts gegessen, und dass ihr Vater um diese Zeit schlecht gelaunt durchs Haus lief, war merkw ürdig . Er hätte im Kontor sitzen und seine B ücher durchgehen sollen. Oder nach hinten gehen und nach den Pferden und Obstbäumen sehen, die erste Pfeife des Tages im Mund.
Sie fragte sich, was passiert war. Mit einer Hand fühlte sie, ob ihre aufgesteckten Zöpfe trocken geblieben waren. Er rief noch immer – sie verstand nicht, was und nach wem. Hatten Jakob oder Arthur etwas angestellt? War einem der Tiere etwas zugestoßen? Was immer ihn störte – sie konnte ihm, nass wie sie war, nicht helfen. Musste er sehen.
Sie setzte sich im Zuber auf, der hinter einem Holzverschlag in der Sommerküche stand. Sie beugte sich vornüber und kniete sich vorsichtig hin, um kein Wasser überschwappen zu lassen.
„Ich weiß es doch nicht!“, hörte sie Georg rufen , zu laut, zu frech. Alma runzelte ihre Stirn; etwas stimmte nicht. So durfte man mit dem Vater nicht reden. Wahrscheinlich hatte er Ge org geweckt .
Alma stand auf, wickelte sich ein graues Leintuch um den Körper und stieg aus der Wanne. Sie ging barfuß in die Sommerküche, auf dem Lehmboden eine Spur aus Tropfen hinterlassend, und schenkte sich aus dem Samowar eine Tasse Tee ein.
Alma hörte schwere , schnelle Schritte im Altenteil. Oma Mathilde sagte etwas, das sie nicht verstand. Dann sprang die Tür zur
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