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Bragg 04 - Dunkles Verlangen

Bragg 04 - Dunkles Verlangen

Titel: Bragg 04 - Dunkles Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
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verbracht und Trost bei der Flasche gesucht. So hatte er sich einige Tage seinem Leid hingegeben, um dann voll Ingrimm wieder sein normales Leben aufzunehmen und sich der Leitung von Dragmore zu widmen. Ein paar Wochen später hatte er die Wut und den Schmerz dann soweit unter Kontrolle gehabt, dass er gar nichts mehr spürte.
    Er traf sogar einmal persönlich mit Gordon zusammen, um sich nach Janes Befinden zu erkundigen, um zu fragen, ob er etwas tun könne. Schließlich war sie ja noch sein Mündel. Doch angeblich war Jane für Gordon nicht die geringste Belastung, und er liebte sie wie eine Tochter. Damit nicht zufrieden, traf der Earl Vorkehrungen, um das Mädchen finanziell zu unterstützen. Jane selbst hatte er allerdings nicht zu Gesicht bekommen, sondern Gordon eigens zum Tavistock Square gebeten, um eine solche Begegnung zu vermeiden. Dann verbannte er sie aus seinen Gedanken.
    Nur manchmal, in den einsamen Stunden der Nacht, kam sie zu ihm, und er nahm sie im Halbschlaf in die Arme – doch das war nur im Traum, und sie war nicht wirklich da.
    Die Vorstellung war vorbei, und Jane stand alleine auf der Bühne, um die Ovationen des tobenden Publikums entgegenzunehmen. Der Earl stand wie angewurzelt da und konnte die Augen nicht eine Sekunde von ihr abwenden. Sie strahlte vor Glück, und als jemand sie mit roten Rosen bombardierte, hob sie lachend eine davon auf und winkte dem Publikum damit zu. Er spürte erstmals, wie der Panzer seines Hasses einen kleinen Riss bekam. Ihre Freude war fast ansteckend. Verzweifelt schlang er den Mantel seiner brennenden Gefühle noch enger um sich, erstarrte zur Säule und verzog angewidert das Gesicht. Als sie dann hinter der Bühne verschwand, riefen begeisterte Stimmen im Publikum immer wieder: »Engel! Engel! Engel!«
    Engel, dachte er aufgebracht. Hexe wäre passender. Und er ballte die Hände wütend zur Faust, bis es wehtat.
    Unten im Foyer blieb er stehen. Die Zuschauer strömten an ihm vorbei, machten einen großen Bogen um ihn und sahen ihn mit noch größeren Augen an. Die übrigen, die ihn nicht sahen, plauderten angeregt und lachten; viele schienen ganz hingerissen von Jane, vor allem die Männer. Nick spürte, wie sein Herz plötzlich heftig zu schlagen anfing, wie sein ganzer Körper in Wallung geriet und von einem heißen Schauder geschüttelt wurde. Er wusste, dass er seinen verdammten Willen zusammennehmen und durch die großen Flügeltüren ins Freie treten, dem verdammten Theater den Rücken kehren musste. Doch stattdessen machte er auf dem Absatz kehrt und stürmte hinter die Bühne.
     
    Janes Wangen waren vor Aufregung noch ganz gerötet, ihr Gesicht war ein einziges strahlendes Lächeln. Sie wusste, dass sie noch nie so gut gewesen war wie an diesem Abend, und sie konnte kaum die Kritiken in den Morgenzeitungen erwarten. »Jon«, rief sie und wirbelte in ihrem Chiffonkleid herum, »was meinst du: So gut wie heute war ich noch nie?«
    Lindley grinste. »Ganz deiner Meinung, Liebling, so gut warst du noch nie.«
    Jane sah Robert Gordon an. »Habe ich Recht?«, fragte sie. »Habe ich Recht?«
    »Natürlich«, bestätigte Robert. »So eine Vorstellung muss gefeiert werden.«
    Ihr fröhliches Lachen war ansteckend. »Ich möchte tanzen.«
    »Das lässt sich leicht arrangieren«, sagte Lindley sofort, fasste sie bei der Hand und zog sie zu sich.
    »Wollen wir heute Abend tanzen gehen, Jane? Und irgendwo essen?«
    Jane sah ihn kokett an. Sie war in allerbester Stimmung, schwebte buchstäblich im siebten Himmel. Sie wollte gerade antworten, wusste, dass sie zu weit ging und nicht in dieser Weise mit Lindley flirten durfte, als draußen vor ihrer Garderobe ein ohrenbetäubender Lärm losbrach.
    Dann trat jemand so heftig gegen die Tür, dass der ganze Raum erbebte.
    Im ersten Augenblick erstarrten alle. Dann setzte Gordon ein resolutes Gesicht auf und machte Anstalten, zur Tür zu gehen. Doch Jane stellte sich ihm instinktiv in den Weg. »Nein!«, kreischte sie. »Mach die Tür nicht auf!«
    »Wer ist da?«, rief Gordon streng. »So eine Frechheit, hier einfach die Tür einzutreten.«
    »Hier ist der Earl von Dragmore«, lautete. die eiskalte Antwort. Jane erbleichte.
    Lindley war gleich bei ihr und stützte sie. »Alles in Ordnung?«
    »Nein! Überhaupt nicht!«, rief Jane erschrocken und klammerte sich an Lindley. Dann sagte sie zu Robert: »Mach die Tür nicht auf! Lass ihn nicht herein!« Sie wusste in ihrer Panik nur noch eines: dass sie fliehen

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