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Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Titel: Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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die Leute nicht aufs Diesseits, sondern vergeuden ihre Zeit mit all diesem religiösen Klimbim? Feuerbach und Marx lassen grüßen. Aber die Ursachen für dieses seltsame Verhalten sind nicht schwer zu finden.«
    »Nämlich?«
    »Niemand liefert auf die Grundfragen des Daseins so scheinbar unverbindlich-simple Antworten wie die Religionen. Menschen, die sich das Nachdenken über den Sinn ihrer Existenz ersparen wollen, ordnen sich einer religiösen Gruppe unter, befolgen deren Anweisungen – und schon sind sie die Sorgen, wie sie sich in bestimmten Situationen entscheiden sollen, los. Die Gesetze und Befehle, denen sie gehorchen, kommen angeblich ja direkt von Gott. Wer sich ihnen nicht bedingungslos unterwirft, dem droht ewiges Unheil. Drohen, Unterordnen, Angstmachen und Verdummen – das ist der Kern der Religion. Und ständig finden sich neue Opfer.«
    Ohmstedt, der die kämpferische atheistische Überzeugung seines Kollegen nur allzu gut kannte, versuchte zu differenzieren. »Drohen, Unterordnen, Angstmachen, Kuschen sind die Methoden religiöser Fundamentalisten, einverstanden. Fundamentalisten, wie gesagt. Aber damit triffst du doch nicht pauschal jede Religion. Wo bleiben Trost, Hoffnung, neuer Lebensmut, Befreiung aus jahrelangen Zwängen, die sich vielen Menschen aus einer aufgeklärten Religion auch erschließen?« Er starrte nach draußen, sah den dünnen Schwarzhaarigen auf die Straße treten. »Ich glaube, es geht weiter«, unterbrach er seine Ausführungen. Er sah, wie der Mann der Karlstraße folgte, wartete, bis er etwa dreißig Meter entfernt war, stieg dann aus dem Wagen, Herbs Stimme hinter sich.
    »Ich garantiere, der biegt in die Charlottenstraße ab und später in den Stadtgarten. Wetten?«

12. Kapitel
    Wendrsonn – trotz aller beruflichen Hektik und der daraus resultierenden Anspannung hatte Braig sich den spektakulären Auftritt der schwäbischen Kult-Rock­band im Rahmen der von Theresa Räuber veranstalteten Langen Nacht gegönnt. Nicht aus eigenem Antrieb zwar, wie er ehrlich zugeben musste, sondern auf Drängen Ann-Katrins, die sich seit Tagen auf das Konzert der Gruppe gefreut hatte.
    »Wendrsonn und die Lange Nacht – das ist genau die richtige Therapie, den ganzen Müll deiner Ermittlungen wenigstens eine Zeit lang zu vergessen«, hatte sie vorgeschlagen.
    Ausgelaugt von den im Endeffekt erfolglosen Mühen des Tages hatte er sich in dem Bewusstsein auf den Weg gemacht, dem Mörder des zauberhaften Mädchens trotz aller Anstrengungen nicht einen Schritt nähergekommen zu sein. Ob ihn die Erwartung fetziger Musik von Wendrsonn, das gewohnt reichhaltige Angebot an Essen und Getränken oder aber die Verpflichtung seiner Partnerin gegenüber zum Besuch der Langen Nacht bewogen hatte – er war sich nicht im Klaren darüber. Auf jeden Fall hatte er die Entscheidung keine Sekunde bereut.
    Wendrsonn – mit einem bunten Gemisch aus Rock, Blues, Reggae, Funk und vor allem dem von Braig geliebten Folk versetzten die sechs Musiker mit ihrem Bandleader Markus Stricker den großen Saal in einen Taumel der Begeisterung. Mal ironisch, mal melancholisch, oft voller Gefühl – Braig tauchte, von den Gitarrenriffs, den Schlagzeugsoli, besonders aber den keltischen Klängen von Daniela Müllers Geige und der einzigartig gefühlvollen Stimme Biggi Binders emporgetragen – in eine andere Welt, die keinen Platz ließ für unterhalb der Comburg brutal ermordete junge Frauen. S' Läbe isch koi Spiel, Wenn i amol groß ben, Traum – so abwechslungsreich und virtuos die einzelnen, in urigem Schwäbisch vorgetragenen Stücke auch ausfielen, die die Künstler der Wintersonne vortrugen, Braig fand an diesem Abend zu seinem Lied: Gega dr Wend. Die von Biggi Binder mit einfühlsam-charaktervoller Stimme dargebotene Ballade setzte sich in seinem Inneren fest, als handle es sich um seine ureigene Melodie.
    Gega dr Wend handelte, so erzählte die Leadsängerin der Gruppe, von den Gebrüdern Bückle, die im 19. Jahrhundert durch die Dörfer der Schwäbischen Alb wanderten, um die Menschen zu liebevollerem Umgang miteinander aufzurufen. Weil die Etablierten in Staat und Kirche dadurch aber eine Einschränkung ihrer Machtposition befürchteten, wurden die Bückles ohne jede Gerichtsverhandlung ins Irrenhaus in Zwiefalten gesteckt und dort 30 Jahre lang bis zu ihrem Tod festgehalten. Bruder, mei Bruder, letscht Nacht do han i träumt, a Wese kam zu mir, s’ hat’s gut mit mir gmoint … Noch Monate später

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