Braig & Neundorf 12: Schwabenehre
tatsächlich um Zeitungspapier handeln konnte. Er musste es auf jeden Fall überprüfen. »Wie heißt er mit Nachnamen?«
»Marc?«
»Der Mann hier auf dem Foto«, sagte Braig.
»Schmidt.«
»Schmidt?« Er konnte seine Skepsis nicht verbergen, legte den Kopf schief, musterte sie aufmerksam. »Kann es sein, dass er Sie auf den Arm nehmen wollte? Oder haben Sie sich das jetzt selbst aus dem Ärmel gesogen?«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Weder noch. Ich weiß, was Sie meinen: Die meisten Männer, die mich besuchen, verschweigen ihren richtigen Namen. Das passt schließlich nicht zu ihrem gutbürgerlichen Leben, was sie hier erledigen. Viele stellen sich einfach mit einem Vornamen vor, wobei ich oft sofort merke, dass es nicht ihrer ist. Zur vollständigen Tarnung, wie sie glauben. Obwohl es kurz darauf nicht mehr viel zu verbergen gibt. Was solls, das kann mir egal sein. Hauptsache, sie zahlen. Was aber diesen Marc, also den Mann hier betrifft«, sie zeigte auf das Bild auf dem Tisch, »da erinnere ich mich, dass er während unserer Unterhaltung einen Anruf erhielt und sich mit Schmidt meldete.«
»Daran können Sie sich jetzt noch erinnern?«, fragte Braig überrascht.
Ihr Gesicht bekam einen schelmischen Ausdruck. »Das ist wirklich ungewöhnlich, ja. Aber es handelte sich auch um ein besonders angenehmes Gespräch. Der Mann nannte sich Schmidt, ich weiß es genau.«
»Er scheint Sie ja mächtig beeindruckt zu haben.« Braig hatte seine Skepsis noch nicht vollständig abgelegt.
»Ein außergewöhnlicher Mann, ja«, erklärte sie voller Überzeugung. »Wenn ich nicht in festen Händen wäre …«
Er schaute sie überrascht an, musste sich zwingen, nicht auf ihre Bemerkung einzugehen. Sie in festen Händen? Vielleicht waren es wirklich gutbürgerliche Vorurteile, die ihn diesen Sachverhalt nur schwer verstehen ließen.
»Aber das war es nicht allein«, unterbrach sie seine Gedanken. Sie erhob sich aus dem Polstersessel, ging zu der Vitrine, griff ins unterste Regal. Als sie sich ihm wieder zuwandte, hielt sie ein kleines Kissen in der Hand.
Braig wollte gerade fragen, was es mit dem Gegenstand auf sich habe, als neben ihm ein heftiges Miauen einsetzte. Er schaute zur Seite, sah, dass sich die Katze mit verschlafenen Augen aufgerichtet hatte, sich gähnend streckte und dann zu der Frau hinüberstarrte.
»Ja, Sissi, deine Maus«, sagte sie, warf das kleine Kissen auf das Sofa neben Braig.
Die Katze begann augenblicklich laut zu schnurren. Sie drückte ihre Stirn an das Kissen, schnupperte daran, ließ sich auf den Rücken fallen, streckte alle vier Beine von sich.
»Katzenminze«, erklärte die Frau, »die Füllung ist das Geheimnis.«
Braig betrachtete amüsiert das Schauspiel neben sich, sah, dass sich das Tier wie in Trance auf dem Polster wälzte.
»Es wirkt wie eine Droge«, sagte sie, »er hat es mir geschenkt.«
»Dieser angebliche Marc Schmidt?«
Die Frau nickte. »Wir kamen darauf zu sprechen, dass wir beide Katzenliebhaber sind. Er freute sich, erzählte vom Kater einer Bekannten in Ludwigsburg, obwohl sein Begleiter dauernd dazwischen maulte, wir sollten endlich aufhören, von dem Viehzeug zu reden und uns ernsthafteren Dingen zuwenden. Irgendwann stand er auf, ging zu seiner Jacke und brachte mir das Kissen. Es war verpackt, in einer luftdichten Folie. Er hatte es für den Kater seiner Ludwigsburger Bekannten gekauft, schenkte es mir. Ich weiß jetzt, wo ich es kaufen kann, meinte er, Rafael bekommt ein anderes.«
»Rafael?«
»So nannte er diesen Kater.«
»Wissen Sie, wo er lebte?«
»Lebte?« Die Frau hielt einen Moment inne. »Mein Gott, ja, Sie sagen, er sei tot. Scheiße, er war ein netter Mann. Sehr freundlich.« Sie sah zur Seite, wandte sich erst nach einer Weile wieder Braig zu. »Wo er lebt?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, tut mir leid.«
»Sie kamen nicht darauf zu sprechen? Er oder sein Begleiter?«
»Sein Begleiter? Um Gottes Willen, nein. Kein besonders angenehmer Mensch.«
»Kennen Sie dessen Namen?«
»In einer Firma in Esslingen«, stieß sie plötzlich hervor. »Richtig. Das sagte er. Er arbeitet in einer Firma in Esslingen.«
»Wer? Der Begleiter von …?«
»Nein«, fiel sie ihm ins Wort. »Marc Schmidt. Von wem sprechen wir die ganze Zeit?«
»In einer Firma in Esslingen? Das wissen Sie genau?«
Sie nickte. »Das sagte er jedenfalls. Irgendwann an diesem Abend.«
»Der Name der Firma. Er erwähnte ihn?«
»Mein Gott, was wollen Sie noch alles aus
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