Braig & Neundorf 12: Schwabenehre
der Bischof wüsst! Kitty Link, den Namen und die dazu passende Telefonnummer musste er sich merken. Vielleicht war die Frau gerade solo, jetzt nach dem Tod Schmiedles …
Er hörte die Stimme Stefanie Riedingers draußen auf dem Flur, blätterte schnell weiter. Nicht, dass er sich immer noch mit demselben Foto beschäftigte, falls die Kollegin erneut ins Zimmer kam …
Leonie Meier stand in dicken handschriftlich aufgezeichneten Druckbuchstaben unter dem Passbild einer hübschen Blondine. Er schätzte sie auf Ende Zwanzig, Anfang Dreißig, sah, dass sie in der Liebenaustrasse in Waldenbuch wohnte, überlegte anhand des beigefügten Datums 27./28.6.08, dass es sich wohl nur um eine kurze Beziehung zwischen Schmiedle und ihr gehandelt haben musste. Ein One-Night-Stand vielleicht? Der musste für beide aber außergewöhnlich aufregend abgelaufen sein, weshalb sonst hätte die Tussi dem Typ ihr Passfoto anvertraut und er das Bild auch noch in seiner Sammlung aufbewahrt?
Aupperle jedenfalls erinnerte sich nicht, nach einer solch flüchtigen Begegnung um ein Bild nachgesucht zu haben, schlug das Blatt um. Er hatte eine hinreißend rassige junge Frau mit ultralangen Haaren vor sich, in der Form einer Bleistiftzeichnung festgehalten, mit Lydia 08 unterzeichnet. Lydia Pfisterer war zu lesen, Oberjesinger Straße, Nufringen. Offensichtlich handelte es sich um das sehr gut gelungene Selbstporträt einer etwa Dreißigjährigen, die dem angegebenen Datum nach immerhin vom 2. Juli bis zum 21. desselben Monats mit Schmiedle zusammen gewesen war. Fast drei Wochen lang Tisch und Bett geteilt, überlegte er, das ist ein neuer Rekord, jedenfalls was die Aufzeichnungen dieses Albums anbelangte. Sollte er bei ihr als Nächster anläuten, um Details über ihre Beziehung zu dem Ermordeten zu erfahren?
Ohne bewusst darüber nachzudenken, blätterte er weiter, sah sich von der nicht ganz scharf geratenen Nacktaufnahme einer anderen jungen Frau in Beschlag genommen: Lange schwarze Haare, üppige, wohlgeformte Brüste, schlanke, leicht angewinkelte Beine – das war alles deutlich zu erkennen. Hatte Schmiedle das Bild selbst aufgenommen, das Objekt seines Interesses dabei entfernungsmäßig nicht korrekt fixiert oder das Foto, wie man im Volksmund sagte, einfach verwackelt? Nina Jaissle, las Aupperle, Rotenackerstrasse, Esslingen. 1.8. – 15.9.08.
Er blieb mit seinem Blick am wohlgeformten Körper der Frau hängen, erkannte anhand der aufgeführten Daten, dass es sich Schmiedles Beziehungszeiträumen nach regelrecht um eine Dauerliaison gehandelt haben musste. Eineinhalb Monate, das war ein neuer Rekord. Kein Wunder, bei dem Aussehen.
Aupperle fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, nickte anerkennend. Mei liabs Rotteburg, hat der ein Glück mit seine Weiber! Kitty, Leonie, Lydia, Nina – die anderen Namen hatte er angesichts des übergroßen Angebots bereits vergessen – und alle in dem doch relativ kurzen Zeitraum des letzten Sommers. Was hatte dieser Schmiedle nur an sich, dass er die rassigsten Exemplare des anderen Geschlechts anzog wie die prächtigsten Blüten die Bienen? Famoses Auftreten, blendendes Aussehen, charmanter Umgang oder einfach nur Geld, irrsinnig viel Geld? Er dachte an die letzten beiden Monate zurück, die er großenteils im Büro auf der Suche nach perversen Kinderpornografiekonsumenten und -aktivisten und ohne jeden näheren körperlichen Kontakt zu interessanten Frauen zugebracht hatte. Das Schicksal hatte das Glück offenkundig ungleichmäßig und völlig ungerecht verteilt, überlegte er, die einen genossen paradiesische Vergnügungen ungeahnten Ausmaßes, die anderen …
Mitten in seinen Gedanken wurde ihm bewusst, was mit Schmiedle geschehen war, was das Schicksal oder wer oder was auch immer gestern für ihn ausersehen hatte. Nein, ganz so einfach war es vielleicht doch nicht, das Verhalten des Schicksals zu beurteilen …
Er versuchte, seinen Blick von der jungen Frau zu lösen, nahm den Telefonhörer zur Hand, gab die aufgeführte Nummer ein. Schon nach dem zweiten Läuten hatte er eine junge, etwas verschlafen wirkende Stimme in der Leitung.
»Wer ist dran?«
»Aupperle, Mario«, stellte er sich vor, »die Nina suche ich. Nina Jaissle, meine ich.«
»Ja, um was geht es?«
»Der, wie heißt er noch, der …«, er schob das Album zur Seite, stöberte in seinen Unterlagen, benötigte mehrere Sekunden, bis er den vollen Namen endlich gefunden hatte, setzte dann, von seiner Gesprächspartnerin
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