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Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer

Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer

Titel: Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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suchend.
    »Eva Seibold, ja«, bestätigte der Mann. »Sie wollen ebenfalls zu ihr?«
    »Ich möchte mit ihr sprechen, ja«, antwortete er. »Falls sie dazu fähig ist.«
    Stollner wiegelte mit der Hand ab. »Das wird nicht so einfach sein. Frau Seibold hat nahe am Wasser gebaut, wenn Sie verstehen. Sie hängt sehr an Herrn Fitterling. Ich fürchte … Aber das müssen Sie selbst sehen, ob Sie sich das zutrauen. Wenn Sie wollen, kommen Sie mit. Sie werden den Weg nicht kennen, nehme ich an?«
    »Den kenne ich nicht, nein«, bestätigte Braig. »Wenn ich Sie nicht störe, nehme ich Ihr Angebot an.«
    »Sie stören nicht. Weshalb auch?« Der Mann verabschiedete sich von Michael Fitterling, wartete, bis Braig sich dessen Handynummer notiert hatte, verließ dann gemeinsam mit ihm das Büro.
    Sie folgten dem Treppenhaus abwärts, erreichten den Hof des Firmengeländes.
    »Wir müssen zu Fuß gehen«, erklärte Stollner. »Es ist aber nicht weit. Ich habe meinen Wagen an der Kirche geparkt, als ich diese Ansammlung sah.« Er deutete auf die Menschenmenge vor dem Tor. »Es hätte keinen Sinn gehabt, hierher zu fahren.«
    Braig nickte, sah, dass die Anzahl der wartenden und lauthals miteinander parlierenden Menschen gegenüber seiner Ankunft kaum abgenommen hatte, stellte erstaunt fest, dass sein Begleiter nicht auf die Leute zu, sondern in den rückwärtigen Teil des Firmengeländes lief.
    »Das können wir uns ersparen«, meinte Stollner, Braigs skeptische Miene im Blick, »sonst muss ich jedem Einzelnen erklären, dass ich keinen Deut mehr weiß als er selbst. So sind die Leute nun mal. Wenn man selbst keine Ahnung hat, der Bürgermeister muss auf dem Laufenden sein.« Er steuerte ein schmales, kaum zwei Meter breites Tor an, drückte es zurück, ließ Braig passieren. »Die sind alle wahnsinnig aufgeregt. Fitterling tot. Angeblich gewaltsam von der Straße abgedrängt. So machte es jedenfalls bei uns die Runde. Sie werden es besser wissen.«
    »Besser?« Der Kommissar schüttelte den Kopf. »Von der Straße abgedrängt, ja. Weitere Informationen waren mir bisher auch nicht zugänglich.«
    »Na also. Von der Straße abgedrängt. Mord, ja? Das hat es in Geigelfingen noch nicht gegeben. Bei uns ist die Welt in Ordnung, wenn Sie verstehen. Nicht wirklich natürlich, aber im Empfinden der Leute. Gutes Land, böse Stadt. Und jetzt das!« Stollner stampfte mit dem Fuß auf den Boden, folgte einem schmalen Weg, der vom Ortskern weg leicht den Hügel hinaufführte.
    Braig atmete kräftig durch, roch das Aroma verschiedener Kräuter und Blüten, fühlte sich von dem unerträglichen Geruch der Rasierwasserwolke in Fitterlings Umgebung endlich befreit.
    »Ausgerechnet jetzt, wo es mit der Firma so bedenklich steht«, fuhr der Bürgermeister fort. »Mein Gott, muss das denn wirklich sein?«
    »Der Ort lebt von der Fabrik?«
    »Das kann man ein Stück weit sagen, ja. Nicht, was die Gewerbesteuer angeht, nein, das ist ohnehin nicht viel. Aber die Arbeitsplätze, zweiundzwanzig allein in Geigelfingen, sonst haben wir ja nicht viel. Das muss einfach weitergehen mit den Maultaschen. Die Firma gehört zu unserem Ort. Und das Restaurant ist im ganzen Land bekannt. Die meisten Touristen kommen, das ist ein offenes Geheimnis, nur seinetwegen.«
    »Die beiden Brüder haben es geerbt?«
    »Von ihren Eltern, ja«, erklärte Stollner. »Die haben mit der Wirtschaft angefangen. Ein waghalsiges Unternehmen damals im pietistischen Geigelfingen.«
    »Wann war das?«
    »In den frühen sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts. 1963, um es genau zu sagen. Die Story ist im ganzen Dorf bekannt. Ihre Mutter entstammte einer Flüchtlingsfamilie. Zuzogene, wie es oft abschätzig hieß. Ihr Vater hatte sich schon dadurch unmöglich gemacht, weil er mit einer Zuzogenen angebändelt hatte. Anständige Frauen und Männer ließen sich auf ›Sottiche‹ erst gar nicht ein. Wer es dennoch tat, sich von einer Zuzogenen verführen ließ, gute Nacht! Ihr Vater und ihre Mutter hatten ein gemeinsames Hobby: Sie kochten beide für ihr Leben gern. Das war wohl der entscheidende Grund, der sie endgültig zusammenbrachte. 1963 machte die Textilfabrik in Reutlingen dicht, er verlor seinen Arbeitsplatz. Da riskierten sie es. Sein Elternhaus liegt zentral an der Durchgangsstraße, Sie haben es bemerkt.« Er deutete auf das Firmengelände zurück, das hinter ihnen lag.
    »Da, wo sich heute die Fabrik befindet?«
    Stollner nickte. »Die ist rund um das alte Haus gebaut worden,

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